Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

418 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
lebt; unaufhaltsam nahte die Zeit, da beide Kirchen diese Vormundschaft 
des Staates von sich weisen mußten. 
  
In der Leitung des Unterrichtswesens war Altenstein's Hand ungleich 
glücklicher als in der Kirchenpolitik. Zwar vermochte er nicht zu verhindern, 
daß sein alter Gegner Kamptz im Jahre 1824 als Direktor in das 
Cultusministerium berufen wurde. Der gefürchtete Demagogenverfolger be- 
nahm sich indeß ganz anders als die erschreckten Lehrer erwarteten; er 
konnte den gelehrten Juristen doch nicht verleugnen und behandelte die 
Männer der WMissenschaft so freundlich, daß die Berliner spotteten: nun 
möge er nur sich selber nach Köpenick zu den eingesperrten Demagogen 
verbannen. Mit Justizgeschäften überhäuft behielt er auch nur wenig Zeit 
übrig für die Arbeiten seines neuen Amtes, während Nicolovius, der als 
Freund Arndt's verdächtig schien, fortan nur noch die Kirchensachen, 
nicht mehr das Schulwesen bearbeiten sollte. Metternich und sein 
Anhang nannten den getreuen Fürsten einen moralischen Herkules und 
hofften schon, die Macht des demagogenfreundlichen Ministers sei gänzlich 
gebrochen. Doch auch dieser Schlag blieb ohne ernstere Folgen. Alten- 
stein und sein Johannes Schulze behielten freie Hand und führten die 
Unterrichtsverwaltung in dem alten Geiste fort: etwas langsam zwar und 
nicht ohne Aengstlichkeit, aber mit Einsicht und Güte. Eine harte Cabinets- 
ordre vom Jahre 1822, welche die Absetzung verdächtiger Lehrer und Geist- 
lichen beschleunigen sollte, wurde sehr milde ausgeführt. Ueber die 
politischen Umtriebe auf den Gymnasien mußten die Oberpräsidenten mehr- 
mals Bericht erstatten, und sie meldeten übereinstimmend, daß gar kein 
Anlaß zu Besorgnissen vorliege.' Die im Jahre 1819 eingeleiteten Unter- 
suchungen währten freilich fort, und auch späterhin griff die Demagogen- 
verfolgung sich dann und wann noch ein Opfer aus den Reihen der Lehrer 
heraus; aber Altenstein erreichte, daß die Freiheit des Lehrstuhls im 
Wesentlichen ungestört blieb und die gesunde Entwicklung der Unterrichts- 
anstalten auch in diesen Jahren des trüben Mißtrauens anhielt. — 
Mittlerweile war die neue Verwaltungsorganisation endgiltig sicher 
gestellt worden. Noch einmal hatte der König, bald nach Hardenberg's 
Tode, eine Commission einberufen, um einen Plan für die Vereinfachung 
der Verwaltung, so weit sie nur irgend möglich sei, auszuarbeiten;) 
natürlich durfte Ladenberg, der unerbittliche Sparer, dabei nicht fehlen. 
Und noch einmal drängte sich ein Gewirr von Reformvorschlägen an den 
  
*) Berichte der Oberpräsidenten an Altenstein vom November bis December 1819 
und April bis Juni 1824 (nach Aktenauszügen, die mir C. Varrentrapp mitgetheilt hat). 
**) Cabinctsordre vom 3. Juni 1823.
	        
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