38 III. 1. Die Wiener Conferenzen.
väterlich über das Wohl des deutschen Vaterlandes geäußert hatte, meinte
jetzt trocken: das Wiener Protocoll „sei eigentlich nur bestimmt die Ver—
anlassung zur weiteren Entwickelung der darin ausgesprochenen Grund—
sätze zu geben“; man brauche also nicht förmlich darüber abzustimmen,
sondern solle nur sogleich die vorbehaltene Berathung am Bundestage
beginnen. Dies geschah denn auch. In einem salbungsvollen Präsidial—
vortrage feierte Buol die Reize des freien Getreidehandels; seine Worte
waren aber so allgemein gehalten, daß selbst der harmlose Goltz sofort
bemerkte, Desterreich hege Hintergedanken.“) Darauf berieth der Bundes—
tag mit gewohnter Emsigkeit weiter, und nach einem Vierteljahre (5. Okt.)
beschloß er, zunächst Nachrichten über den Stand der Gesetzgebung in den
Einzelstaaten einzuholen. Der freie Getreidehandel verschwand in jenem
geheimnißvollen Schlunde, in dessen Tiefen die ewig unvollendeten Bundes-
beschlüsse gebettet lagen. Das waren Oesterreichs Liebesdienste zum Besten
der deutschen Verkehrsfreiheit. —
Der Verlauf der Conferenzen selbst bestätigte durchweg was Bern-
storff vorhergesagt: daß ein Bund ohne politische Einheit keine gemein-
same Handelspolitik treiben könne. Angesichts dieser Erfahrungen begannen
einige der süddeutschen Staatsmänner sich doch endlich mit den Rath-
schlägen Bernstorff's zu befreunden. Eingepreßt zwischen den Mauthlinien
Frankreichs, Oesterreichs, Preußens vermochte die Volkswirthschaft des
Oberlandes kaum mehr zu athmen, zumal da noch keiner der süddeutschen
Staaten, außer Baiern, ein geordnetes Zollwesen besaß. Die Frage ließ
sich nicht mehr abweisen, ob man nicht zunächst versuchen solle, diese zer-
stückelten Gebiete in einem handelspolitischen Sonderbunde zu vereinigen,
also genau dasselbe zu thun, was man soeben dem preußischen Staate als
Bundesfriedensbruch vorgeworfen hatte. Den ersten Anstoß zu solchen
Plänen gab der wackere du Thil; noch späterhin pflegte der Darmstädter
Hof sich dieses Verdienstes gern zu rühmen..) Aber erst durch Berstett's
rührige Thätigkeit gewann der Gedanke Leben. Der Badener hegte, wie
du Thil, die ehrliche Hoffnung, daß aus diesem Sonderbunde „nach und
nach ein Ganzes“ hervorgehen werde; indeß dachte er auch an Retor-
sionen gegen die preußischen Zölle und gab eine kurz abweisende Antwort,
als Bernstorff ihm versicherte, mit einem süddeutschen Zollvereine werde
Preußen gern Handelsverträge abschließen. Auch Marschall ließ sich auf
den Plan nur ein, weil er erwartete, daß Süddeutschland nunmehr mit
vereinter Kraft den Zollkrieg gegen Preußen eröffnen werde. Württemberg
endlich spielte mit Triasplänen und hoffte den politischen Bund des con-
stitutionellen „reinen Deutschlands“ aus dem Handelsvereine hervorgehen
zu sehen — ein Gedanke, der weder in München noch in Darmstadt
Anklang fand.
*) Goltz's Bericht, 20., 27. Juni 1820. #) Staats-Rath v. Hofmann an den
Meininger Präsidenten Kraft, Darmstadt, 20. März 1828.