Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

38 III. 1. Die Wiener Conferenzen. 
väterlich über das Wohl des deutschen Vaterlandes geäußert hatte, meinte 
jetzt trocken: das Wiener Protocoll „sei eigentlich nur bestimmt die Ver— 
anlassung zur weiteren Entwickelung der darin ausgesprochenen Grund— 
sätze zu geben“; man brauche also nicht förmlich darüber abzustimmen, 
sondern solle nur sogleich die vorbehaltene Berathung am Bundestage 
beginnen. Dies geschah denn auch. In einem salbungsvollen Präsidial— 
vortrage feierte Buol die Reize des freien Getreidehandels; seine Worte 
waren aber so allgemein gehalten, daß selbst der harmlose Goltz sofort 
bemerkte, Desterreich hege Hintergedanken.“) Darauf berieth der Bundes— 
tag mit gewohnter Emsigkeit weiter, und nach einem Vierteljahre (5. Okt.) 
beschloß er, zunächst Nachrichten über den Stand der Gesetzgebung in den 
Einzelstaaten einzuholen. Der freie Getreidehandel verschwand in jenem 
geheimnißvollen Schlunde, in dessen Tiefen die ewig unvollendeten Bundes- 
beschlüsse gebettet lagen. Das waren Oesterreichs Liebesdienste zum Besten 
der deutschen Verkehrsfreiheit. — 
Der Verlauf der Conferenzen selbst bestätigte durchweg was Bern- 
storff vorhergesagt: daß ein Bund ohne politische Einheit keine gemein- 
same Handelspolitik treiben könne. Angesichts dieser Erfahrungen begannen 
einige der süddeutschen Staatsmänner sich doch endlich mit den Rath- 
schlägen Bernstorff's zu befreunden. Eingepreßt zwischen den Mauthlinien 
Frankreichs, Oesterreichs, Preußens vermochte die Volkswirthschaft des 
Oberlandes kaum mehr zu athmen, zumal da noch keiner der süddeutschen 
Staaten, außer Baiern, ein geordnetes Zollwesen besaß. Die Frage ließ 
sich nicht mehr abweisen, ob man nicht zunächst versuchen solle, diese zer- 
stückelten Gebiete in einem handelspolitischen Sonderbunde zu vereinigen, 
also genau dasselbe zu thun, was man soeben dem preußischen Staate als 
Bundesfriedensbruch vorgeworfen hatte. Den ersten Anstoß zu solchen 
Plänen gab der wackere du Thil; noch späterhin pflegte der Darmstädter 
Hof sich dieses Verdienstes gern zu rühmen..) Aber erst durch Berstett's 
rührige Thätigkeit gewann der Gedanke Leben. Der Badener hegte, wie 
du Thil, die ehrliche Hoffnung, daß aus diesem Sonderbunde „nach und 
nach ein Ganzes“ hervorgehen werde; indeß dachte er auch an Retor- 
sionen gegen die preußischen Zölle und gab eine kurz abweisende Antwort, 
als Bernstorff ihm versicherte, mit einem süddeutschen Zollvereine werde 
Preußen gern Handelsverträge abschließen. Auch Marschall ließ sich auf 
den Plan nur ein, weil er erwartete, daß Süddeutschland nunmehr mit 
vereinter Kraft den Zollkrieg gegen Preußen eröffnen werde. Württemberg 
endlich spielte mit Triasplänen und hoffte den politischen Bund des con- 
stitutionellen „reinen Deutschlands“ aus dem Handelsvereine hervorgehen 
zu sehen — ein Gedanke, der weder in München noch in Darmstadt 
Anklang fand. 
*) Goltz's Bericht, 20., 27. Juni 1820. #) Staats-Rath v. Hofmann an den 
Meininger Präsidenten Kraft, Darmstadt, 20. März 1828. 
 
	        
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