Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

478 III. 6. Preußische Zustände nach Hardenberg's Tod. 
stören und fand in der jesuitischen Umgebung der Herzogin treue Bundes— 
genossen. Die Wortbrüchigkeit des kleinen Nachbarn mußte den Berliner 
Hof um so tiefer verstimmen, da mittlerweile (1824) die hohenzollernschen 
Fürstenthümer und Württemberg einen Zollvertrag schlossen, genau nach 
dem Vorbilde der preußischen Enclavenverträge. So schlugen die Klein- 
staaten sich selber ins Angesicht. Dieselben verständigen handelspolitischen 
Grundsätze, welche Wangenheim in Frankfurt der preußischen Regierung 
als eine Verletzung des Völkerrechts vorgeworfen hatte, wurden nun in 
Schwaben eingeführt, und dieselbe liberale Presse, die das preußische En- 
clavensystem mit Schmähungen überhäufte, fand die Anwendung dieses 
Systems in Württemberg hocherfreulich. 
Sobald Motz sich in seinem neuen Amte zurecht gefunden hatte, 
erklärte er dem auswärtigen Amte: Preußens Langmuth gegen den un- 
redlichen kleinen Nachbarhof werde zur Schwäche, man müsse endlich die 
ganze Strenge des Zollgesetzes wider ihn anwenden (Jan. 1826). Gleich 
nachher baten Dessau und Bernburg um die Aufnahme einiger Aemter 
in die Zollgemeinschaft und empfingen, auf Motz's Betrieb, die Antwort: 
mit solchem Stückwerk sei nichts gethan; wollten die Herzöge mit ihren 
gesammten Gebieten beitreten, so würde man sie willkommen heißen.“) 
Nach einiger Zögerung erschienen nunmehr zwei anhaltische Unterhändler 
in Berlin, und mit dem bernburgischen, v. Salmuth, einem geistreichen, 
witzigen Manne, der das mönchische Unwesen des Köthener Hofes gründ- 
lich verachtete, wurde Motz bald handelseins. Noch im Laufe des Sommers 
erklärte der Herzog von Bernburg die Unterwerfung seines gesammten 
Landes unter das preußische Zollgesetz. Acht volle Jahre hatte es also 
gewährt seit der Verkündigung dieses Gesetzes, bis zum ersten male ein 
ganzer deutscher Kleinstaat beitrat. Der Dessauische Bevollmächtigte aber 
brach die Verhandlungen ab; denn unterdessen war Adam Müller von 
Köthen nach Dessau hinübergekommen, angeblich um in der Mulde zu 
baden, in Wahrheit um den Anschluß an Preußen zu hintertreiben. 
In einem herzbrechenden Klageschreiben sprach Herzog Leopold von 
Dessau, der mit einer Nichte des Königs verheirathet war, dem Oheim sein 
Bedauern aus: schon vor Jahren habe er dem Köthener Vetter versprochen 
nicht ohne ihn beizutreten. Das preußische Ministerium verlange, „daß die 
enclavirten Staaten fremde Gesetze und Verwaltungsformen unweigerlich 
annehmen müssen. Dies aber, Allergnädigster König, ich wage es ver- 
trauensvoll auszusprechen, wollen Allerhöchstdieselben nicht. Preußens 
mächtiger und gerechter Monarch, der im zweiten Artikel der Bundesakte 
Souveränität und Unabhängigkeit garantirte, wird nie gestatten, daß die 
Minister durch strenges Festhalten am Buchstaben des Bundesvertrages 
  
*) Ministerialschreiben des Ausw. Amts an die herzogliche Regierung in Bernburg, 
5. März, 6. Mai 1826.
	        
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