488 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
lichen Nebenbuhler, der die schwere Hand der Hohenzollern so oft gefühlt
hatte und jetzt in ihnen nur die lachenden Erben seiner eigenen Macht sah.
Wie viel schneller, stätiger, reicher als in dem unwirthlichen Brandenburg
hatten sich hier in den lieblichen Berglanden an der Elbe und Mulde einst
die Anfänge deutschen Lebens entfaltet. Zur Zeit, da die ersten Askanier
dort noch mit den Wenden rangen, war in der Mark Meißen nach minder
furchtbaren Kämpfen die Eroberung längst vollendet und aus der Ver-
mischung der thüringischen und fränkischen Einwanderer mit der wenig
gelichteten Masse der Urbewohner schon ein neuer oberdeutscher Stamm
hervorgegangen, der deutsche Kraft mit slawischer Beweglichkeit glücklich
verband — ein rühriges Geschlecht von erstaunlich vielseitiger Anlage, reich
begabt für Kunst und Forschung, kriegstüchtig, unternehmend in der Wirth-
schaft, harmlos genügsam und doch nach Markmannenart stolz gegenüber
den verachteten „Stockwenden und Stockböhmen". Schon in den Tagen
Friedrich's des Rothbarts erklangen im Erzgebirge die Bergreihen und das
herzhafte Glückauf der schürfenden Knappen, ihres Freiberger Rechtes froh
blühten die betriebsamen Bergstädte auf, und am Ausgang des Mittel-
alters war bereits das ganze rauhe Waldgebirge dicht besiedelt bis hinauf
zu seiner „wilden Ecke“ bei Annaberg. Dem Segen ihrer Berge dankte
die Mark Meißen in den Zeiten der Naturalwirthschaft ihren rasch an-
wachsenden Wohlstand; mochten die Markgrafen auf einem lustigen Reichs-
tage zuweilen einen Kux verkuxen, das Volk ward durch die Versuchungen
der unsicheren Ausbeute des Bergbaus von seinem beharrlichen Fleiße
nicht abgebracht.
Eine glänzende politische Zukunft schien sich der jungen Colonie auf-
zuthun, als das Haus Wettin die Landgrafschaft Thüringen erwarb und
dann — um die nämliche Zeit da die Hohenzollern in die Marken ein-
zogen — auch den Kurhut des zertrümmerten alten sächsischen Herzog-
thums gewann. Fortan führten die Meißner, obgleich in ihren Adern
nur wenige Tropfen sächsischen Blutes flossen, den glorreichen Namen des
waffengewaltigsten der deutschen Stämme, den einzigen der alten Stammes-
namen, der außer dem bairischen noch im Reichsrechte fortbestand, und
hielten das alte Fünfbalkenschild der Askanier mit dem grünen Rauten-
kranze darüber so hoch in Ehren, als hätte es ihnen immer angehört. Ihre
Fürsten trugen stolz die Schwerter des heiligen Reiches, und der Prachtbau
ihrer Albrechtsburg bekundete, daß sie keinem anderen deutschen Fürsten-
geschlechte nachzustehen gedachten. Doch den weiten Blick, den hohen
Sinn des Herrschers besaßen sie nicht. Die alte deutsche Fürstensünde
des häuslichen Unfriedens ward den Wettinern noch verderblicher als den
Wittelsbachern. Schon oft hatten thörichte Theilungen und erbitterte
Bruderkriege diesen werdenden Staat in seinem Wachsthum aufgehalten,
und nun da das kühne Werk Heinrich's des Erlauchten und Friedrich's
des Streitbaren der Vollendung nahe schien, da endlich einmal aus der