556 III. 7. Altständisches Stillleben in Norddeutschland.
angehört und unter Vater Jahn's Augen auf der Hasenheide eifrig ge—
turnt, aber damals schon mit seinem frühreifen Geschäftsverstande allen
überschwänglichen Plänen der jungen Teutonen scharf widersprochen.
Vollends jetzt inmitten der Arbeiten des praktischen Lebens erschien ihm die
deutsche Einheit als ein herrlicher, aber unmöglicher Traum. Alles Un—
begrenzte, so gestand er selbst, widerstand seinem Wesen. Es war ihm
schwer genug geworden aus einem Osnabrücker ein Hannoveraner zu
werden; nimmer durfte dieser Welfenstaat in einem großen nationalen Reiche
verschwinden. Am wenigsten in Preußen, denn über das preußische Be—
amtenthum dachte er ganz wie Rehberg; nur selten einmal gestand er halb
widerwillig zu, in Preußen habe sich der nationale Gedanke am stärksten
entwickelt, weil dort das alte Ständewesen so gründlich zerstört sei. An
Rehberg erinnerte auch die ernste, nüchterne, streng sachliche Haltung seiner
gedankenreichen Schriften; jedoch er gehörte einem jüngeren, muthigeren
Geschlechte an, sein Ehrgeiz war, dem Bürger und Bauern die altgerma—
nische Freiheit in neuen Formen zurückzugeben, so daß der Ackerbauer die
Früchte des Ackers ungeschmälert genießen, der Bürger bei den Geschäften
seiner Gemeinde selber Hand anlegen sollte. Die Liberalen der Rotteck'schen
Schule wußten gar nichts anzufangen mit diesem Verächter der Doktrin,
in dem sich Deutschthum und Particularismus, reformatorischer Muth und
Anhänglichkeit an altüberlieferte Sitte so seltsam vermischten. Und leicht
war es nicht mit ihm auszukommen. Streng, schroff, mäßig bis zur
Pedanterei, etwas schulmeisterlich und ganz ohne Humor, konnte der kleine
schmächtige Mann Keinen gewinnen, wohl aber durch die Ueberlegenheit
seines Verstandes, seiner umfassenden Sachkenntniß, seines sittlichen Ernstes
die Widerstrebenden beherrschen.
Sechsundzwanzigjährig trat Stüve in den Landtag ein als Nach-
folger des Hofraths Buch, dem sein Collegium auf Befehl der Regierung
ferneren Urlaub verweigert hatte, weil er den Privilegien des Adels ent-
gegengetreten war. Unverdrossen verwendete er seine ganze gewaltige Ar-
beitskraft für die Verhandlungen dieser Kammer, die doch nur Monologe
hielt, da die Minister nicht vor ihr erscheinen durften. Die von den
Bauern längst ersehnte Ausgleichung der Grundsteuer war soeben voll-
zogen, allerdings sehr zum Vortheil der Privilegirten. Sofort ging Stüve
einen Schritt weiter und forderte was diesem Staate am meisten noth
that: Ablösung der Dienste, Zehnten und Meiergefälle. Immer wieder
kam er auf dies sein ceterum censeo zurück: die zweite Kammer stimmte
zu, die erste widersprach. Da griff der Bauernfreund zur Feder und
unterstützte seine Reden durch die treffliche Schrift „über die Lasten des
Grundeigenthums in Hannover"“ (1829). Endlich im Frühjahr 1830 er-
klärte sich die Adelskammer zu Verhandlungen bereit, aber wie viele Jahre
mochten noch hingehen bis der Absicht das Vollbringen folgte! Das Land-
volk begann schon die Geduld zu verlieren. Auch Hannover hatte die