Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Die Großherzoge. 571 
besaßen nach dem Erbvergleiche das „landsittliche Eigenthumsrecht“ an 
ihren leibeigenen Gutsunterthanen, desgleichen die gutsherrliche Gerichts— 
barkeit und Polizeigewalt, sowie das Präsentationsrecht für die Justiz- 
kanzleien und das neue Parchimer Oberappellationsgericht; sie verwalteten 
durch ihren Engeren Ausschuß in Rostock den Landkasten und das stän- 
dische Schuldenwesen und sendeten auch zu mehreren landesfürstlichen 
Verwaltungsbehörden ihre Commissäre; selbst zur Zahlung der ordent- 
lichen Contribution waren sie nur insoweit verpflichtet, als „Ritter= und 
Landschaft mit ihren Hintersassen bei dem Ihrigen ruhig wohnen können“. 
Darum schien dieser Staat zum ewigen Stillstand verurtheilt; jede noch 
so bescheidene Reform war ein Eingriff in die wohlerworbenen Rechte der 
Stände und mithin unmöglich ohne den freiwilligen Verzicht der Privi- 
legirten. 
Großherzog Friedrich Franz hatte dies auch längst eingesehen und 
auf manche monarchische Pläne seiner Jugend verzichtet. Er wußte, daß 
seine Junker ihn nur als den Ersten unter Gleichen betrachteten; wäh- 
rend der ständischen Wirren des achtzehnten Jahrhunderts hatten beflissene 
Federn der Adelspartei das durchsichtige Märchen aufgebracht, daß Herzog 
Pribislav kein Nachkomme der alten Obotritenfürsten gewesen sei, sondern 
ein einfacher wendischer Edler. Friedrich Franz begnügte sich, in seinem 
Domanium, wo er Herr war, für die Bauern zu sorgen. Zum Landtage 
wagte er nur noch selten mit fürstlicher Strenge zu reden, so einmal als 
die Stände nahe daran waren ihm die Kosten seines Bundescontingents 
zu verweigern. 
Noch schwächer war der monarchische Ehrgeiz am Strelitzer Hofe. 
Dort regierten nach einander die Großherzoge Karl und Georg, der Vater 
und der Bruder der Königin Luise — Beide sehr wohlmeinende Herren, 
aber auch Beide so fest verwachsen mit dem alten Landesbrauche, daß sie 
die Lächerlichkeit ihres Schattenfürstenthums gar nicht mehr empfanden. 
Der leitende Minister Klein-Mecklenburgs war August v. Oertzen, einer 
der tüchtigsten aus diesem obotritischen Geheimrathsgeschlechte, ehrenhaft, 
thätig, gescheidt und doch ganz unfähig, über den Gesichtskreis seiner 
Standesgenossen hinauszublicken. Wie grimmig ging er einem bürgerlichen 
Vasallen zu Leibe, der sich unterfangen hatte, dem Großherzoge Georg 
zur vollständigen Ausführung des Art. 13 der Bundesakte die Berufung 
einer allgemeinen Volksvertretung, ja sogar die Abschaffung des Erbadels 
anzuempfehlen. Da hieß es in der großherzoglichen Antwort: Du hast 
durch Deinen Brief „das Maß gegeben, nicht was von der ehrwürdigen 
Verfassung Unseres Landes, wohl aber was von Dir als Vasallen zu 
halten sei! Wir geben Dir unsere große und gerechte Unzufriedenheit zu 
erkennen, verweisen Dich an Deine Stelle, verbieten Dir andurch ähn- 
lichen Vorwitz für die Zukunft aufs Nachdrücklichste, ermahnen Dich aber 
zugleich, Deine Ansichten und Meinungen zu läutern, vor Allem aber Dich
	        
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