Einbruch des Judenthums. 703
Ein rühriger Bundesgenosse erwuchs dem neuen Radicalismus in
der jungen Macht des literarischen Judenthums. Die moderne Juden—
schaft besaß schon längst nicht mehr die geistige Kraft um aus sich heraus
eine gesunde eigenartige Bildung zu erzeugen, wie vor Zeiten inmitten der
orientalischen Cultur des spanischen Maurenreichs. In den alten Cultur—
völkern Westeuropas stand die nationale Gesittung so fest, daß die Juden
dort gar nicht wagen durften, in Politik und Literatur als eine selbständige
Macht aufzutreten. Auch der erste deutsche Jude, der in unserer Lite—
ratur Ansehen errang, Moses Mendelssohn, folgte dem Strome unseres
nationalen Lebens, half redlich mit an der Gedankenarbeit der deutschen
Aufklärungsphilosophie; wenn er den Glauben seiner Väter, wie sein gutes
Recht war, gegen Lavater vertheidigte, so war er doch keineswegs gemeint,
die deutsche Welt mit jüdischen Ideen zu durchtränken, er bemühte sich
vielmehr seine Stammgenossen für die deutsche Bildung zu gewinnen.
Mittlerweile war seine Saat aufgegangen, ein Theil der Judenschaft hatte
sich mehr oder minder germanisirt, in der Presse wirkten schon mehrere
jüdische Schriftsteller, aber bald regte sich in diesen Kreisen ein gefähr—
licher Geist der Absonderung und der Anmaßung. Die Judenschaft war
in Deutschland weit zahlreicher als in den westlichen Nachbarlanden, und
da der deutsch-polnische Judenstamm sich von jeher schwerer an das abend—
ländische Wesen gewöhnt hatte als die spanischen Juden, die in England
und Frankreich damals noch überwogen, so geschah es, daß in Deutsch—
land — und hier allein — eine eigenthümliche halb-jüdische Literatur auf—
kam, welche ihre orientalische Weltanschauung, ihren ererbten Christenhaß
in abendländische Formen hüllte. Ein durchgebildeter Nationalstolz, der
solche Versuche von Haus aus verhindert hätte, war hier nicht vorhanden;
dieser geduldige deutsche Boden hatte schon allen Nationen Europas zum
Tummelplatze gedient, hier durfte auch das Judenthum noch sein Glück
versuchen.
Die edleren und ernsteren Männer der deutschen Judenschaft hatten
längst eingesehen, daß ihr Stamm nur dann die bürgerliche Gleichberech—
tigung beanspruchen durfte, wenn er selber seine Sonderstellung aufgab
und ohne Vorbehalt im deutschen Leben aufging. Wenige Jahrzehnte nach-
dem Moses Mendelssohn seinen Weckruf hatte erscheinen lassen, wirkten
schon überall in Kunst und Wissenschaft begabte Männer jüdischer Ab—
stammung, getaufte und ungetaufte, die sich ganz als Deutsche fühlten
und in ihren Werken durchaus deutsche Züge zeigten: in der Musik Felix
Mendelssohn-Bartholdy, in der Malerei Veit, in der Theologie der kind—
lich gläubige Neander. Die schnellfertigen jüdischen Talente dagegen, welche
in der Tagespresse das Wort führten, trugen ihre jüdische Sonderart hoch—
müthig zur Schau und verlangten gleichwohl als Wortführer der deut—
schen öffentlichen Meinung geachtet zu werden. Dies vaterlandslose Juden—
thum, das sich als Nation innerhalb der Nation gebärdete, wirkte auf