Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Von König Karl's europäischer Politik erwartete Metternich Anfangs 
das Beste. Bald nach der Thronbesteigung ging er selbst nach Paris, 
wo er von der „reinen Partei“ mit offenen Armen empfangen und auch 
bei Hofe vielfach ausgezeichnet wurde. Aber seine Hoffnungen erfüllten 
sich nicht. Der greise König hegte gegen den Oesterreicher ein Mißtrauen, 
das durch die Zweizüngigkeit der Hofburg von Jahr zu Jahr gesteigert 
wurde; er sah nach alt-bourbonischer Ueberlieferung in dem Wiener Hofe 
den natürlichen Nebenbuhler des Hauses Frankreich und theilte mit der 
großen Mehrheit seiner Nation die philhellenische Gesinnung, da er die 
Griechen als die Vorkämpfer des Kreuzes wider den Halbmond bewun— 
derte. So geschah es, daß Metternich's persönlicher und politischer Feind 
Pozzo di Borgo in den Tuilerien bald wieder fast ebenso mächtig wurde, 
wie in den ersten Jahren der Restauration. Auch das Verhältniß zu 
Preußen gestaltete sich über alle Erwartung freundlich, zumal unter dem 
Ministerium Martignac. Der Berliner Hof erschrak zwar über „die Nieder— 
lage des Thrones“, welche der Bildung dieses Cabinets vorherging, und 
äußerte sich zuweilen besorgt über die Schwäche der Regierung;') aber 
der neue Minister des Auswärtigen Graf La Ferronays besaß seit dem 
Troppauer Congresse das persönliche Vertrauen König Friedrich Wilhelm's 
und der Gesandte Frhr. v. Werther, ein feiner, kluger Beobachter, der sich 
über Metternich's Charakter nicht täuschte, that das Seine, um die Freund- 
schaft zwischen Preußen, Frankreich und Rußland zu befestigen. In allen 
den kleinen deutschen Händeln, welche für Frankreich keinen Werth hatten, 
suchte sich der Tuilerienhof dem preußischen Cabinet gefällig zu erweisen. 
Als Karl von Braunschweig um die Hilfe der Bourbonen bat, wurde er 
zur Nachgiebigkeit ermahnt. Markgraf Wilhelm von Baden dagegen erhielt 
die besten Zusagen, da er wegen des Sponheimer Streites nach Paris 
kam; denn das gute Recht und das befreundete Preußen ständen auf 
Badens Seite.“) 
Noch schneller und stärker veränderte sich die russische Politik. Czar 
Alexander starb am 1. December 1825, in der Blüthe der Jahre schon 
lebensmatt und fast erdrückt von der Last seines hohen Amtes. Seine 
Sterbestunden wurden verklärt durch die Liebe seiner Gemahlin, die er 
nach langer Entfremdung endlich wieder fand, aber auch verdüstert durch 
die Entdeckung einer großen Soldatenverschwörung. Nach seinem Tode 
brachte die seltsame Halbheit, welche fast allen Thaten seiner letzten Jahre 
anhaftete, noch einmal arge Verwirrung über das Reich. Schon vor zwei 
Jahren hatte der Thronfolger Großfürst Constantin seine Abdankung in 
die Hände des Kaisers niedergelegt, Alexander aber hatte diese Urkunde 
geheim gehalten, obgleich die Erbfolgeordnung der Dynastie erst seit wenigen 
  
*) Bernstorff, Weisungen an Werther, 14. Jan., 25. Juni 1828. 
**) Arnim's Berichte, Paris 24., 30. Juni 1829.
	        
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