Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

760 Metternich und die preußische Verfassung. 
Gentz verfaßt. Troppau 1820.“ Bailleu hielt aus inneren Gründen für unzweifelhaft, 
daß dies Memoire die Teplitzer Denkschrift sei, wenngleich Bernstorff vielleicht erst in 
Troppau davon Kenntniß erhalten habe. Seitdem hat Ad. Stern (Forschungen z. d. 
Gesch. 26, 321) nachzuweisen versucht, daß Metternich dies Actenstück erst am 24. Dec. 
1820 von Troppau aus durch Wittgenstein an den König übersendet habe. Nach dem 
vorliegenden Materiale wage ich diesen Streit nicht zu entscheiden. Ganz unzweifelhaft 
erhellt aber, daß die Teplitzer Denkschrift, wenn sie wirklich verloren ist, in demselben 
Geiste gehalten war wie die Troppauer. Denn die Troppauer Denkschrift beruft sich 
ausdrücklich auf das Aachener Memoire und schließt sich eng an dasselbe an. Läge also 
zwischen diesen beiden Denkschriften noch eine dritte von abweichendem oder gar entgegen- 
gesetztem Inhalt, so müßte sich nothwendig eine Bemerkung darüber vorfinden, da alle 
diese Arbeiten an die gleiche Adresse, an die Adresse des Königs von Preußen gerichtet 
waren. 
Im Uebrigen thuen diese Zweifel nichts zur Sache. Niemand bestreitet, daß 
Metternich eine preußische Verfassung nicht wünschte, auch nicht in der bescheidenen 
Form eines Vereinigten Landtags. Die Frage ist nur: ob er wirklich so thöricht war 
seine Karten vor der Zeit aufzudecken? Und diese Frage muß verneint werden. Denn 
cs steht fest, daß Metternich noch in Troppau nicht wagte, von einer Centralvertretung 
abzurathen, obgleich der König damals bereits mit der mißrathenen Communalordnung 
unzufrieden und an den Verfassungsplänen irre geworden war. Folglich kann der Oester- 
reicher in Teplitz, wo die Aussichten für ihn noch weit weniger günstig lagen, unmög- 
lich eine kühnere Sprache geführt haben als in Troppau. Eine sachliche Schwierigkeit 
liegt überhaupt nicht vor. Der ganze Streit ist nur dadurch entstanden, daß Baum- 
garten den Worten Metternich's „keine Volksvertretung einführen“ willkürlich einen Sinn 
untergeschoben hat, welchen sie vielleicht im Jahre 1882 haben konnten, aber nicht im 
Jahre 1819 und nicht in Metternich's Munde. 
Etwas deutlicher werden diese geheimen Vorgänge erläutert durch die abgerissenen 
Bemerkungen über Metternich's Antheil an dem preußischen Verfassungswerke, welche 
sich in Hardenberg's Tagebuch vorfinden. Dieselben lauten: 
Troppau 15. Nov. 1820. Mit Metternich wegen unserer Verfassungssache ge- 
sprochen. Er will dem König auch sagen, daß wir nicht still stehen können. Etwas muß 
geschehen. Es wäre besser gerade herauszusagen: ich will keine Constitution — als diese 
Ungewißheit. 
20. Nov. Metternich hat an den König wegen der Verfassung geschrieben und ihm 
das Memeoire überschickt, was er 1818 in Aachen mir zustellte. Wittgenstein brachte es 
mir mit der Aeußerung, der König wünsche erst in Berlin mit mir darüber zu sprechen. 
Wien 31. Dec. Metternich theilte mir ein Promemoria mit, welches er dem 
König entweder persönlich oder schriftlich mitzutheilen Willens ist, über die ständische 
Verfassung, wenn ich es genehmige. Ich bin mit den Grundlagen einverstanden. 
Daraus ergiebt sich: Metternich hat alle diese Jahre hindurch hinter Hardenberg's 
Rücken gearbeitet. Der preußische Staatskanzler wußte noch im November 1820 nicht, 
daß Metternich's Aachener Denkschrift ausdrücklich für den König geschrieben und schon 
seit zwei Jahren in dessen Händen war; er wußte auch am 31. Der. 1820 noch nicht, 
daß Mctternich's Troppauer Denkschrift bereits sieben Tage vorher an Friedrich Wilhelm 
abgegangen war. Also ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß dies unredliche Spiel 
sortgedauert hat und unter dem, am 31. Dec. erwähnten Promemoria die alte, dem 
Könige längst bekannte Teplitzer Denkschrift zu verstehen ist. Wenn Metternich das 
Aachener Memoire zweimal dem Könige übersendete, so kann er auch das Gleiche mit 
seiner Teplitzer Deukschrift gethan haben. 
Zum Glück bin ich aber jetzt in der Lage, allen Schlüssen und Vermuthungen 
durch eine einfache thatsächliche Mittheilung ein Ende zu machen. Im Herbst 1884 
wurden die seit langer Zeit vermißten Acten des Geh. Cabinets K. Friedrich Wilhelm's III.
	        
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