Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

Metternich und die preußische Verfassung. 761 
in das Geh. Staatsarchiv übergeführt. Darunter befinden sich auch die Berichte über 
das Verfassungswerk, welche Hardenberg im Sommer 1819 dem Monarchen erstattete. 
Hier der wesentliche Inhalt. 
Am 2. Mai überreicht Hardenberg dem Könige den ersten Entwurf seines Ver— 
fassungsplanes. Es ist im Wesentlichen derselbe Entwurf, der am 12. Oktober dem 
Verfassungs-Ausschuß vorgelegt wurde, nur viel kürzer gefaßt und in einzelnen un— 
wesentlichen Punkten abweichend. Am 30. Juni bittet er sodann nochmals um baldige 
Entscheidung. 
Darauf befiehlt der König (C.-O. v. 3. Juli 1819), daß nach Hardenberg's Vor— 
schlägen das Abgaben-System und das Staatsschuldenwesen geordnet, „aber unterdessen 
die Arbeiten zu dieser landständischen Verfassung, welche längst schon hätten vorgenommen 
werden sollen, vollendet werden.“ Zu diesem Zwecke wird die Bildung eines kleinen 
Verfassungs-Ausschusses angeordnet. 
Dann berichtet der Staatskanzler am 16. August: „Bei meiner Anwesenheit in 
Teplitz habe ich Gelegenheit gehabt, auch diesen wichtigen Gegenstand mit dem Fst. 
Metternich in Erwägung zu ziehen. Er theilt mit mir die Ueberzeugung, daß, indem 
die genommenen Maßregeln gegen die demagogischen Umtriebe strenge und consequent 
verfolgt werden, auf der andern Seite höchst räthlich sei, sobald wie möglich in der Ver— 
fassungssache wohlüberlegte Vorschritte zu machen.“ Hierauf habe ihn Metternich um 
Mittheilung seines Verfassungsplanes gebeten, da „der österreichische Hof Preußens Bei— 
spiele zu folgen wünsche, damit die Verfassung der beiden größeren Staaten Deutsch— 
lands möglichst gleich werde.“ Er habe dieser Bitte entsprochen und dem Fürsten die 
in der Anlage A enthaltenen „Ideen zu einer landständischen Verfassung in Preußen“ 
vorgelegt. „Diese Ideen“, so heißt es wörtlich weiter, „haben den vollkommensten Beifall 
des Fürsten Metternich gefunden.“ Die Anlage A aber enthält nichts Anderes, als 
den von mir (oben II. 635) mitgetheilten Hardenbergischen Verfassungsplan, nur in 
kürzerer Fassung. Ueber den allgemeinen Landtag ist darin Folgendes gesagt: 
„Die Provinzial-Versammlungen wählen, jeder Stand aus seiner Mitte, die 
Deputirten zum 
Allgemeinen Landtag, 
welcher aber nie mit den Provinzial-Versammlungen zugleich, sondern — außer dem 
ersten male — vorher zusammenkommen muß. Dieser hat gar keine Verwaltung und 
beschäftigt sich mit allgemeinen, für die ganze Monarchie bindenden Gegenständen. Die 
Deputirten zum Allgemeinen Landtage sind in möglichst geringer Anzahl zu bestimmen; 
desgleichen wäre noch zu erwägen, ob es räthlich sei, sie in einer Versammlung oder in 
zwei Kammern zusammenleben zu lassen, welches letztere vielleicht eine zu große Anzahl 
veranlassen und überhaupt den Geschäftsgang erschweren würde." 
Man sieht, diese Sätze stimmen fast buchstäblich überein mit dem später der Com- 
mission vorgelegten Verfassungsplane (II. 636). 
Damit ist die Sache erledigt. Metternich hat in Teplitz dem Verfassungsplane 
Hardenberg's und dem darin vorgeschlagenen Allgemeinen Landtage für Preußen aus- 
drücklich zugestimmt; er hat mithin, als er mit dem Könige sprach, nicht vor einer 
ständischen Verfassung gewarnt, sondern nur vor dem Repräsentativsystem neufranzösischen 
Stiles. Meine Darstellung des Teplitzer Gesprächs ist also vollkommen richtig. Auf 
den Gang der preußischen Verfassungsberathung übten die Teplitzer Gespräche unmittel- 
bar gar keinen Einfluß; vielmehr hielt Hardenberg vom Mai 1819 bis zu seiner schließ- 
lichen Niederlage im Sommer 1821 unwandelbar denselben Verfassungsplan fest. Und 
auch diese letzte Niederlage wurde nicht durch Metternich bewirkt, sondern durch die 
Parteikämpfe in Preußen selbst und vornehmlich durch das Mißlingen der Communal= 
ordnung. — 
  
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