Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Dritter Teil. Bis zur Juli-Revolution. (26)

88 III. 2. Die letzten Reformen Hardenberg's. 
glücklich beseitigt, und mit Genugthuung bemerkte der König, daß er doch 
nicht ohne Grund, unbeirrt durch Hardenberg's Widerspruch, auf der noch— 
maligen Befragung des Staatsraths bestanden hatte. 
Auch der Plan der Klassensteuer erschien, wie er vorlag, noch sehr 
unfertig, fast roh. Hoffmann war und blieb ein Gegner der Einkommen— 
steuer; da man sie im Jahre 1812, in der Zeit der äußersten wirthschaft- 
lichen Zerrüttung, nicht hatte durchsetzen können, so hielt er kurzweg für 
ausgemacht, daß sie eine gehässige und unpraktische Abgabe sei. In der 
That war der Zustand der Volkswirthschaft für diese Form der Besteue- 
rung noch nicht reif. Wohl neun Zehntel der Bauern, die noch in den 
Gewohnheiten altväterischer Naturalwirthschaft dahinlebten, wußten ihr 
eigenes Einkommen nicht in Geld abzuschätzen; die höheren Stände aber 
mußten erst an die direkte Steuer gewöhnt werden, nimmermehr hätten 
sie ertragen, daß der Staat ihnen genaue Rechenschaft über ihr Einkommen 
abforderte. Daher begnügte sich Hoffmann, die gesammte Bevölkerung 
nach den durchschnittlichen Lebensgewohnheiten in vier große Klassen ein- 
zutheilen, die er mit doktrinärer Zuversicht für die vier natürlichen Stände 
der deutschen Gesellschaft ausgab: in der ersten Klasse sollten jährlich 
24 Thaler von jeder Haushaltung, in der vierten ein halber Thaler von 
jeder erwachsenen Person erhoben werden. Ohne es zu ahnen, betrat der 
gelehrte Statistiker damit einen Weg, der schließlich zu der verabscheuten 
Einkommensteuer führen mußte. Beschwerden wider die Einschätzung in 
jene willkürlich angenommenen vier Klassen konnten gar nicht ausbleiben; 
wollte man ihnen gerecht werden, so blieb zuletzt doch nichts übrig, als 
eine schärfere Prüfung des Einkommens der Pflichtigen. 
Der Gedanke der Einkommensteuer hatte während der letzten Jahre 
in der Stille seinen Weg gemacht und wirkte noch mit dem ganzen Reize 
der Neuheit; erst die Erfahrung sollte lehren, daß auch das Einkommen, 
so lange man seine verschiedenen Quellen nicht unterscheidet, nur einen 
sehr unsichern Maßstab für die Leistungsfähigkeit der Steuerzahler abgiebt. 
Die Einkommensteuer galt bereits in weiten Kreisen des gebildeten Bürger- 
thums, zumal unter den Rheinländern, als das Steuerideal und fand 
auch im Staatsrathe manchen eifrigen Vertheidiger. Zu diesen gesellten 
sich sodann einige Männer der alten Schule, wie Ancillon, die an der 
Klassensteuer nur die Mängel bemerkten, weil sie an dem überlieferten 
System der indirekten Abgaben festhalten wollten. Und wie hart wurden 
doch die niederen Stände durch Hoffmann's Vierklassentheilung getroffen! 
Wohl war die Zahl der Wohlhabenden noch verschwindend klein; der 
Staatsrath berechnete, daß im ganzen Staate nur etwa 8000 Familien 
jährlich 24 Thaler zu steuern vermöchten, aber unter diesen befanden sich 
doch sicherlich tausend, die eine weit höhere Last tragen konnten, und sie 
sollten begünstigt werden, zum Schaden der Armen! Die königlichen 
Prinzen rügten diesen Uebelstand mit scharfen Worten; sie zeigten sich alle
	        
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