Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Erster Abschnitt. 
Die Juli-Revolution und der Weltfriede. 
Das Fortwirken der Vergangenheit in der Gegenwart bewährt sich 
unerbittlich auch in den Geschicken solcher Völker, welche an dies historische 
Gesetz nicht glauben wollen. Durch die erste Revolution hatten die Fran- 
zosen mit ihrer Geschichte gebrochen; sie wähnten ihrer Vorzeit ledig zu 
sein und sahen nicht, daß Napoleon nur in vereinfachten, demokratischen 
Formen den alten zentralisierten Beamtenstaat Richelieus wiederherstellte, 
als er dem neuen Frankreich seine dauernde Verfassung gab. Noch weniger 
wollten sie im Jahre 1830 erkennen, daß die Juli-Revolution ihre welt- 
erschütternden Folgen großenteils der Nachwirkung der Vergangenheit 
verdankte. Seit den Wiener Verträgen besaß Frankreich weder die kriege- 
rische Macht noch die geistigen Kräfte mehr, um die Führerstellung unter 
den Völkern zu beanspruchen; der Tag von Belle Alliance hatte die Über- 
legenheit der deutschen Waffen erwiesen, in Kunst und Wissenschaft war 
Deutschland längst zu neuen, eigenen Idealen gelangt, auch die prunkenden 
Redekämpfe der französischen Volkstribunen und Tagesschriften bewegten 
sich immer noch in den ausgefahrenen Gleisen der Ideen von 89, sie 
warfen keinen schöpferischen politischen Gedanken in die Zeit. Aber die 
Erinnerungen an die hundertjährige Weltherrschaft der französischen Bil- 
dung, an die Propaganda der Jakobiner, an das napoleonische Reich 
blieben noch überall lebendig; auf das Heimatland der Revolution richtete 
sich unverwandt die Besorgnis der Höfe, die Hoffnung aller Unzufriedenen. 
Als dort das wiederhergestellte legitime Königtum zusammenstürzte, 
urplötzlich, wie durch eine unabwendbare Naturgewalt, da schien die ge- 
samte neue Ordnung der Staatengesellschaft zu wanken. Ermutigt durch 
Frankreichs Vorbild erhoben sich fast in allen Nachbarlanden die Mächte 
der Revolution, die Schlagworte der Menschenrechte waren in aller 
Munde. Selbst die sonst fremdem Einfluß so unzugänglichen Briten ver- 
spürten den Zauber der demokratischen Ideen Frankreichs und begannen 
durch die Reformbill den ehrwürdigen Bau ihrer parlamentarischen 
Aristokratie zu zerstören. Die Franzosen nannten sich wieder die große 
Nation und wähnten, ihre Trikolore halte von neuem den Rundgang
	        
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