8 IV. 1. Die Juli-Revolution und der Weltfriede.
muß aber unfehlbar die Regierung des Königs, die Bourbonen und
Frankreich selbst in den Abgrund reißen.“*) Jener unverzeihliche Schritt
zur Revolution geschah, und die Verblendung der liberalen Parteien
trug die Schuld daran.
Großes hatte Frankreich der Herrschaft seines wiederhergestellten
Königtums zu verdanken. Wunderbar leicht wurden die Leiden der
Kriegsjahre überwunden, der Volkswohlstand und das geistige Leben
blühten fröhlich auf, Heer und Haushalt standen wieder in guter Ord—
nung; die Charte blieb unangetastet, die konstitutionellen Ideen schienen
schon so fest mit dem Volke verwachsen, daß Niebuhr noch im Sommer
1829 sagen konnte, bei dem gegenwärtigen Zustande der Dinge sei an
keine Revolution mehr zu denken. Vor kurzem noch hatte das Land drei
Jahre lang die polizeiliche Aufsicht der europäischen Okkupationstruppen
ertragen müssen, noch auf dem Aachener Kongresse wurde sein Minister
von den vier Mächten wie ein Schulknabe zum Wohlverhalten ermahnt.
Jetzt behauptete der Tuilerienhof wieder eine würdige, seiner Macht ent—
sprechende Stellung in der Staatengesellschaft, um seine Freundschaft be-
mühten sich alle Großmächte, unter seiner Mitwirkung wurde die Schlacht
von Navarin geschlagen und schließlich, durch den Zug nach Morea, die
Unabhängigkeit Griechenlands gesichert. Der Verfassung treu und dem
königlichen Hause ritterlich ergeben, durfte Graf Martignac wohl auf
den Beistand aller gemäßigten Parteien zählen, als er der Charte durch
eine freiere Gemeindeverfassung einen festen Unterbau zu schaffen unter-
nahm; denn jedermann wußte, daß König Karl schon dies Ministerium
nur ungern ertrug und nimmermehr den Liberalen noch weiter entgegen-
kommen würde.
Trotzdem wurde das Kabinett bei den Verhandlungen über die Ge-
meinderatswahlen von seinen natürlichen Freunden verlassen und zum
Rücktritt genötigt. Der letzte ehrliche Versuch, das konstitutionelle Frank-
reich mit dem alten Herrscherhause zu versöhnen, war gescheitert. Der
Eigensinn der Parteien trug den Sieg davon über die Gebote der Pflicht
und der Klugheit. Auch die Ränkesucht spielte mit, jene alte französische
Sünde, die, in den höfischen Kabalen des alten Jahrhunderts zur Meister-
schaft ausgebildet, längst schon in die parlamentarischen Sitten der neuen
Zeit eingedrungen war: Graf Molé und der Vertraute des Herzogs von
Orleans, General Sebastiani schürten den Widerstand gegen Martignac,
weil sie selber seine Erbschaft anzutreten hofften.“) König Karl meinte
befriedigt: „ich sagte es ja, mit diesen Leuten ist nichts anzufangen,“ und
betraute seinen Günstling, den Fürsten Polignac, mit der Bildung des
neuen Kabinetts.
*) Werthers Bericht, 5. Juni 1828.
**) Werthers Bericht, 6. Dezember 1828.