Das hannöversche Staatsgrundgesetz. 161
murrten noch immer über diese Neuerungs; sie klagten: ein Monarch, der
eine unüberschreitbare Summe für seinen Hofhalt beziehe, sei ein stipen-
diary, ein insulated king und habe nicht mehr das Recht, Gnaden zu
erweisen. Der gutherzige König fühlte sich daher peinlich überrascht, als
er seine bescheidenen deutschen Untertanen desselben Weges gehen sah
wie die Reformer der Whigpartei. Endlich gab er nach und willigte in
die Kassenvereinigung. Mit einem Zuge fiel der Vorhang von den wun-
dersamen Geheimnissen dieses Finanzwesens. Nun erst konnte der Landtag
die gesamten Staatsausgaben übersehen und einen deutlichen Begriff
gewinnen von allen den „pensionierten Fähnrichen mit Premierleutnants-
Charakter“, von allen den Geheimrats-Waisen und Staats-Pfründnern,
welche an der gastlichen Krippe der alten Adelsoligarchie gefüttert wurden.
Nach diesem entscheidenden Erfolge zeigten sich die Stände überaus
bescheiden in ihren Ansprüchen. Die Regierung erkannte wohl, daß in
jedem geordneten Staate die meisten Ausgaben dem Rechtsgrunde nach,
viele auch dem Betrage nach gesetzlich feststehen und mithin von den
Kammern nicht eigentlich bewilligt, sondern nur rechnungsmäßig geprüft
werden können. Sie schlug daher vor, daß die Besoldungen sowie die
anderen regelmäßigen Ausgaben der einzelnen Verwaltungszweige durch
vereinbarte Regulative ein für allemal bestimmt, und also nur 1½ Mill.,
streng genommen nur 200 000 Taler, jährlich der freien Bewilligung
des Landtags unterliegen sollten. Der Vorschlag war in den einfachen
Verhältnissen eines Kleinstaates wohl durchführbar, er raubte den Stän-
den nichts, sondern sprach nur aus, was schon zu Recht bestand; aber er
vertrug sich schlechterdings nicht mit der herrschenden Doktrin des kon-
stitutionellen Staatsrechts, welche kurzerhand den Landtagen die Befugnis
zuschrieb, bei jeder Budgetberatung die Staatsgläubiger ihrer Zinsen,
die Beamten ihrer Gehalte zu berauben. Darum ward der Streit sehr
lebhaft, und der Kammerpräsident Rumann mußte von der liberalen
Presse harte Vorwürfe hören, als er schließlich mit seiner Präsidialstimme
mutig den Ausschlag gab zu Gunsten der Regierung. Auch dem Gesetz-
gebungsrecht der Stände ward eine feste Schranke gezogen. Sie sollten
zwar über den ganzen wesentlichen Inhalt neuer Gesetze entscheiden und
auch selber nach Belieben Gesetzentwürfe vorlegen; der Regierung aber blieb
überlassen, das also Vereinbarte „näher zu bearbeiten“, denn Stüve und
seine geschäftskundigen Freunde wußten aus Erfahrung, wie leicht die
Einzelbestimmungen der Gesetze durch das unberechenbare Spiel der par-
lamentarischen Abstimmungen verwirrt und verschoben werden. Die
öffentliche Beratung wurde dem Landtage nur gestattet, nicht vorge-
schrieben; und die erste Kammer machte von dieser Erlaubnis keinen Ge-
brauch, sie ließ sogar in ihren veröffentlichten Protokollen die Namen der
Redner weg. Tagegelder galten in der deutschen liberalen Doktrin für
ein natürliches Recht der Volksvertreter; der König aber huldigte der
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 11