Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Das hannöversche Staatsgrundgesetz. 161 
murrten noch immer über diese Neuerungs; sie klagten: ein Monarch, der 
eine unüberschreitbare Summe für seinen Hofhalt beziehe, sei ein stipen- 
diary, ein insulated king und habe nicht mehr das Recht, Gnaden zu 
erweisen. Der gutherzige König fühlte sich daher peinlich überrascht, als 
er seine bescheidenen deutschen Untertanen desselben Weges gehen sah 
wie die Reformer der Whigpartei. Endlich gab er nach und willigte in 
die Kassenvereinigung. Mit einem Zuge fiel der Vorhang von den wun- 
dersamen Geheimnissen dieses Finanzwesens. Nun erst konnte der Landtag 
die gesamten Staatsausgaben übersehen und einen deutlichen Begriff 
gewinnen von allen den „pensionierten Fähnrichen mit Premierleutnants- 
Charakter“, von allen den Geheimrats-Waisen und Staats-Pfründnern, 
welche an der gastlichen Krippe der alten Adelsoligarchie gefüttert wurden. 
Nach diesem entscheidenden Erfolge zeigten sich die Stände überaus 
bescheiden in ihren Ansprüchen. Die Regierung erkannte wohl, daß in 
jedem geordneten Staate die meisten Ausgaben dem Rechtsgrunde nach, 
viele auch dem Betrage nach gesetzlich feststehen und mithin von den 
Kammern nicht eigentlich bewilligt, sondern nur rechnungsmäßig geprüft 
werden können. Sie schlug daher vor, daß die Besoldungen sowie die 
anderen regelmäßigen Ausgaben der einzelnen Verwaltungszweige durch 
vereinbarte Regulative ein für allemal bestimmt, und also nur 1½ Mill., 
streng genommen nur 200 000 Taler, jährlich der freien Bewilligung 
des Landtags unterliegen sollten. Der Vorschlag war in den einfachen 
Verhältnissen eines Kleinstaates wohl durchführbar, er raubte den Stän- 
den nichts, sondern sprach nur aus, was schon zu Recht bestand; aber er 
vertrug sich schlechterdings nicht mit der herrschenden Doktrin des kon- 
stitutionellen Staatsrechts, welche kurzerhand den Landtagen die Befugnis 
zuschrieb, bei jeder Budgetberatung die Staatsgläubiger ihrer Zinsen, 
die Beamten ihrer Gehalte zu berauben. Darum ward der Streit sehr 
lebhaft, und der Kammerpräsident Rumann mußte von der liberalen 
Presse harte Vorwürfe hören, als er schließlich mit seiner Präsidialstimme 
mutig den Ausschlag gab zu Gunsten der Regierung. Auch dem Gesetz- 
gebungsrecht der Stände ward eine feste Schranke gezogen. Sie sollten 
zwar über den ganzen wesentlichen Inhalt neuer Gesetze entscheiden und 
auch selber nach Belieben Gesetzentwürfe vorlegen; der Regierung aber blieb 
überlassen, das also Vereinbarte „näher zu bearbeiten“, denn Stüve und 
seine geschäftskundigen Freunde wußten aus Erfahrung, wie leicht die 
Einzelbestimmungen der Gesetze durch das unberechenbare Spiel der par- 
lamentarischen Abstimmungen verwirrt und verschoben werden. Die 
öffentliche Beratung wurde dem Landtage nur gestattet, nicht vorge- 
schrieben; und die erste Kammer machte von dieser Erlaubnis keinen Ge- 
brauch, sie ließ sogar in ihren veröffentlichten Protokollen die Namen der 
Redner weg. Tagegelder galten in der deutschen liberalen Doktrin für 
ein natürliches Recht der Volksvertreter; der König aber huldigte der 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 11
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.