182 IV. 3. Preußens Mittelstellung.
sich jedoch bald als ein schwerer Mißgriff. Der König war fortan von
Rechts wegen der Eidgenossenschaft fremd und nahm doch tatsächlich an
den Beschlüssen ihrer Tagsatzung teil, da der Neuenburger Staatsrat
nur aus Beamten des Landesherrn bestand. Aus diesen unklaren Ver—
hältnissen entwickelte sich nun unausbleiblich ein Parteikampf, der im alten
Jahrhundert unmöglich gewesen wäre: in den Kreisen der radikalen Jugend
entstand eine schweizerisch-republikanische Partei, welche die Trennung von
dem Fürstenhause erstrebte, während die Patrizier allesamt und auch
noch die große Mehrheit des Volks sich ihrer royalistischen Treue rühmten.
Der Gegensatz blieb verhüllt, solange in den Nachbarkantonen die
alten Herrengeschlechter ihr stilles Regiment führten; aber sobald nach der
Juli-Revolution die radikale Partei in der Schweiz sich erhob, richtete sie
ihre Pfeile sogleich gegen den Fürstenhut der Hohenzollern. Ihr Ziel war
die Volksherrschaft in den Kantonen und die Verstärkung der Bundes-
gewalt. Beides hing unzertrennlich zusammen, denn nur wenn die Kan-
tonalverfassungen allesamt auf denselben demokratischen Grundsätzen
beruhten, konnte der lockere Staatenbund sich in einen festen Bundesstaat
verwandeln. Die Presse der Schweizer begann mit ihrer eigentümlichen
Grobheit den Federkrieg gegen Neuenburg; sie schilderte die Zustände des
bestverwalteten aller Kantone als eine empörende Tyrannei, da nach schwei-
zerischer Anschauung die Freiheit lediglich im Nichtvorhandensein einer
monarchischen Gewalt besteht, und erzählte ungeheuerliche Märchen von
allen den Schätzen, welche aus der reichen Schweiz in den brandenburgischen
Sand geflossen seien. Auch die Zeitungen im nahen Baden ließen sich
durch die republikanischen Schlagworte blenden und schämten sich nicht,
die Neuenburger gegen ihren deutschen Fürsten aufzuwiegeln.
Der König versprach dem Fürstentume eine Reform der Verfassung,
dergestalt daß die Mehrzahl der Ständemitglieder fortan nach allge-
meinem Stimmrecht gewählt werden sollte, und sendete im Mai 1831
den General Pfuel mit außerordentlicher Vollmacht ins Land, jenen rüstigen
Teutonen, der einst als Kommandant von Paris so gut verstanden hatte,
mit den Welschen auszukommen. Der neue Landtag ward versammelt,
und alles schien versöhnt. Aber kaum hatte der General im September
das Land wieder verlassen, so überrumpelte ein durch eidgenössischen Zu-
zug verstärkter Pöbelhaufe das Neuenburger Schloß, und die Tagsatzung
sah sich genötigt, durch ihre Truppen die Ruhe wiederherzustellen. Nun
kehrte Pfuel zurück, berief die treuen Milizen ein, verhaftete die Rädels-
führer, und als die Aufständischen im September sich von neuem erhoben,
jagte er sie nach einigen Gefechten im Val de Travers binnen drei Tagen
auseinander. Das Land frohlockte; jedermann wußte, daß die Unruhen
nur durch den jungen Tollkopf Leutnant Bourquin und einige radikale
Sendlinge aus der Nachbarschaft künstlich angezettelt waren. Überall
erklang das alte Royalistenlied: