256 IV. 4. Landtage und Feste in Oberdeutschland.
bürgerliche Emanzipation aller Volksklassen“ sei bisher nur in einem
Lande der Welt verwirklicht worden: in Polen, durch die Verfassung von
1791. In allen Vereinen und Zeitungen der süddeutschen Radikalen
hieß man die Polen willkommen; den aufhetzenden Reden dieser Fremd—
linge war es vornehmlich zu verdanken, daß der sinnlose Haß gegen
Preußen im Süden wieder überhandnahm.
Erst nach und nach, sobald man die wenig säuberlichen Sitten der
freien keuschen Maid Polonia genauer kennen lernte, begannen einzelne
Verständige an ihrer fremdbrüderlichen Begeisterung irr zu werden. Nach-
dem die letzten Flüchtlinge Deutschland verlassen hatten, erstatteten zwei
Führer der Emigration nach sarmatischem Brauche ihren Dank für die
so reichlich genossene Gastfreundschaft. Johann Czynski schrieb aus Metz
Deux mots sur les Allemands, um die Deutschen zur Zertrümmerung
Osterreichs und Preußens aufzufordern, nur so könne Deutschland be-
freit, Polen wiederhergestellt werden. Wer etwa an Deutschlands Knecht-
schaft noch zweifeln mochte, den verwies er auf den Einmarsch der drei-
hundert Preußen in das Fürstentum Lichtenberg, diese empörende Ver-
letzung des Grundsatzes der Nichteinmischung: „ein Preuße in St. Wendel
ist für Deutschland dieselbe Schmach wie für Italien ein Osterreicher
in Rimini oder für Polen ein Russe in Warschau.“ Noch deutlicher
redete Moritz Mochnatzki in seiner Schrift „die Revolution in Deutsch-
land“. Der Häuptling der polnischen Radikalen fand kaum Worte genug,
um die Deutschen zu beschimpfen. Dies Volk habe die neueren Zeiten
verschlafen und in seinem Schlafe mehr Bücher geschrieben, als alle Völker
der Welt zusammengenommen, bis es endlich durch Napoleon, durch die
Julitage, durch den polnischen Krieg aus seiner langen Schlassucht auf-
gerüttelt worden sei. Nun sollten die Deutschen wach bleiben, die ent-
nervende literarische Tätigkeit aufgeben, da das Zeitalter der Revo-
lutionen doch nur Zeitungen und praktische Wissenschaften brauchen könne,
und sich mit den Polen verbinden zur Vernichtung Österreichs und
Preußens. Dies Übermaß sarmatischer Torheit schreckte die klügeren
Führer des deutschen Liberalismus ab; in der breiten Masse der Partei
blieb aber die polnische Legende noch lange, und als eine wirksame Macht,
lebendig. Die deutschen Flüchtlinge in Paris saßen in ihren Geheim-
bünden mit den Polen zusammen und ließen sich von den gewiegten Ver-
schwörern gern über Mochnatzkis „Wissenschaft der Revolution“ belehren;
nach der Meinung dieses sarmatischen Apostels schien es ja „weit leichter,
eine Revolution zu machen, als Hegels Phänomenologie zu verstehen“.
Nur in Heinrich Heine war der Dichter und der Schelm doch stärker als der
Radikale. Als er die schäbige Eleganz dieses großsprecherischen Bummler-
lebens aus der Nähe betrachtet hatte, da konnte er dem Reize des Lächer-
lichen nicht mehr widerstehen und besang die „Polen aus der Polakei“ in
dem lustigen Gedichte vom großen Eselinski. —