Die Burschentage. 299
Handstreich in Frankfurt sofort den Aufruhr in der ganzen Nachbarschaft
entflammen müsse. Was dann werden sollte — eine Bundesrepublik oder
nur ein deutsches Parlament? — darüber ward allem Anschein nach nie
ernstlich verhandelt, obwohl einzelne bereits eine Liste der drei Präsidenten
der deutschen Republik bereit hielten. Der ganze Plan war so kindisch,
daß einige der Urheber bald selbst besorgt wurden; sie glaubten einander
schon nicht mehr ihre windigen Prahlereien, selbst Koseritz hielt sich zurück,
weil er „die grenzenlose Unvorsichtigkeit der Verschworenen“ fürchtete. Fast
niemand wollte anfangen, und so mußte denn, wie gewöhnlich, die leicht-
gläubige tapfere Jugend ausbaden, was die vermessene Torheit der Al-
teren verschuldet hatte.
uch jetzt wie zu allen Zeiten spiegelte sich das nationale Leben in
den Zuständen der Universitäten getreulich wider. Nach den Julitagen
hatten sich die Burschenschaften überall verstärkt oder neu aufgetan, und
bald gewann die radikale Germania die Oberhand über die gemäßigte
Partei der Arminen. Auf den gemeinsamen Burschentagen übernahmen
die Süddeutschen die Führung; die preußischen Burschenschaften beteiligten
sich wenig und blieben endlich ganz aus, die Breslauer wurde sogar förmlich
zurückgewiesen, weil sie sich auf politische Umtriebe nicht einlassen wollte.
Unaufhaltsam drang nunmehr der Geist des neufranzösischen Radikalismus
in diese jugendlichen Kreise ein. Auf dem Frankfurter Burschentage, im
September 1831, wurde beschlossen, daß jeder Bursch sich verpflichten
müsse, selbst mit Gewalt ein freies und gerechtes, in Volkseinheit geord-
netes Staatsleben herbeizuführen; die Burschenschaft sollte fortan ihren
alten christlich-germanischen Charakter ablegen und auch Juden aufnehmen.
Auf einem neuen Tage zu Stuttgart, um Weihnachten 1832, kündigte
man schon an, daß im Frühjahr die Revolution bevorstehe und die Burschen
sich darauf vorzubereiten hätten. Nun traten die Eifrigsten der Heidel-
berger Burschenschaft zu einem geheimen Vereine zusammen. Zwei ihrer
alten Herren in Frankfurt erteilten ihnen Nachricht und Befehl: der
hitzköpfige, schon im polnischen Revolutionskriege erprobte Arzt Gustav
Bunsen und Dr. Georg Körner, ein junger Anwalt von ungewöhnlicher
Begabung, der sich nachher in Amerika eine ehrenreiche politische Wirk-
samkeit geschaffen hat. Die Burschen schwelgten in der Hoffnung, den
Bundestag in voller Sitzung aufzuheben; der Frankfurter Soldateska
meinten sie sicher zu sein durch einen Hauptmann, der kein Wort von
ihren Plänen wußte, und überdies lagen im Taxisschen Palaste augen-
blicklich 400000 Gulden Mainzer Festungsgelder — Geld genug, um den
Freiheitskrieg weiter zu führen.)) Am 2. April waren etwa zwanzig
Studenten aus Heidelberg, Würzburg, Erlangen, auch zwei aus Göttingen
*) Ich benutze hier u. a. eine Aufzeichnung „Meine Frankfurter Erlebnisse“ von
einem der Teilnehmer, dem kürzlich verstorbenen Dr. Eimer in Freiburg i. B.