Börne, Heine und die Schwaben. 441
folgung; und doch hatte er lediglich seine Pflicht als Kritiker getan und
nur mit den ehrlichen Waffen literarischer Polemik gefochten. Die Maß-
regeln des Bundestags billigte er keineswegs; auch seine derbe Sprache
war anständiger als die hämischen Verdächtigungen, mit denen die Ge-
nossen des Jungen Deutschlands ihre Gegner zu besudeln pflegten. Den-
noch blieb er fortan fünf Jahre lang die Zielscheibe für den Haß der radi-
kalen Literatur. Börne verdrehte ihm das Wort im Munde und schrieb
das Büchlein „Menzel der Franzosenfresser“, obgleich Menzel die Fran-
zosen durchaus nicht angegriffen, sondern vielmehr dem vaterlandslosen
Deutschjuden den verdienten Vorwurf zugeschleudert hatte: niemals würde
ein Franzose so tief sinken, sein eigenes Volk vor Fremden in fremder
Sprache zu beschimpfen. Die Schrift war Börnes Schwanengesang und
wurde einige Jahre hindurch selbst in den Schulen als ein Meisterwerk
gepriesen; sie bewies indes nur, daß der Radikalismus dieses Mannes
schlechterdings keinen anderen Inhalt hatte als die öde Verneinung und
die Wut gegen alle Andersdenkenden. „Ist das ein braver Mann“ — hieß
es da — „der seine Gesinnung gegen ein österreichisch Lächeln, eine preußische
Schmeichelei, ein bayrisches Achselklopfen und ein jesuitisches Lob verkauft?“
Und wieder: „Darum ist ein Feind Gottes, der Menschheit, des Rechtes,
der Freiheit und der Liebe, wer Frankreich haßt oder es lästert aus schnöder
Gewinnsucht.“ Daß ein Deutscher auch noch andere Gründe haben konnte,
das begehrliche Kriegsgeschrei der Pariser scharf zurückzuweisen, kam dem
Fanatiker gar nicht in den Sinn. Auch ein Schmerzensschrei um das freie,
jetzt von den Bundestruppen geknechtete Frankfurt fehlte nicht: die Frank-
furter sind Juden neben den christlichen Osterreichern und Preußen, sie
müssen vor ihnen Mores machen!
Noch unredlicher verfuhr Heine. Er hatte einst mit Menzel und Jarcke
in der Bonner Burschenschaft zusammengelebt und kannte ihre streng kirch-
liche Gesinnung. Sein Scharfsinn konnte sich nicht darüber täuschen, daß
der gegenwärtige Kampf eine Notwendigkeit war, daß die romantischen
und die radikalen Elemente, welche die alte Burschenschaft umschlossen hatte,
sich jetzt trennen mußten. Er mußte wissen, daß Menzel durchaus ehrlich han-
delte; gleichwohl gab er seiner Entgegnung den lügnerischen Titel: „wider
den Denunzianten.“ Weit vom Schusse wie er war, ließ er allen un-
flätigen Neigungen seiner Falstaffsnatur die Zügel schießen und nannte
den Gegner einen Mouchard, einen Ehrlosen, einen Infamen, einen
Gauner, einen Schurken, eine Memme. Er erreichte seinen Zweck; denn
in solchen Tagen, die sich überall durch den Druck der Polizei gequält
fühlten, wirkte kein Schimpf furchtbarer als die Beschuldigung der Denun-
ziation. Heines empörende Verleumdung wurde alsbald von der gesamten
liberalen Presse aufgenommen und trotz ihrer handgreiflichen Unwahrheit
so hartnäckig wiederholt, daß sie sich noch heute in den meisten Literatur-
geschichten wiederfindet.