Hallische Jahrbücher. L. Feuerbach. 487
tum, jede dem Menschen gesetzte objektive Ordnung als aufgehobene Mo—
mente negieren würde.
Unter den philosophischen Mitarbeitern der Jahrbücher tat sich durch
die Schönheit seiner Sprache Ludwig Feuerbach hervor, ein Sohn des
großen Juristen, ein edler feuriger Schwärmer, der mit unerbittlicher Logik
aus den Sätzen des Meisters, wie er sie verstand, die allerletzten Folge-
rungen zog und endlich, in dem Buche über das Wesen des Christentums
(1841), zur Vernichtung aller Religion gelangte. Die dialektische Methode
handhabte er mit blendender Geschicklichkeit; von dem historischen Sinne
freilich, der das Hegelsche System durchgeistigte und manche seiner Irr-
tümer entschuldigte, besaß Feuerbach gar nichts. Er sah im christ-
lichen Glauben lediglich das starre Prinzip der Weltverneinung; die pro-
teische Kraft des Christentums, das sich die Jahrhunderte hindurch un-
ablässig fortgebildet und seit der Reformation auch die antiken Ideen der
Weltfreudigkeit in sich aufgenommen hatte, blieb ihm unfaßbar. Darum
hielt er jede Philosophie kurzab für unchristlich. Wirklicher Gotteserkennt-
nis hatte sich die Kirche selbst nie vermessen; das Evangelium verhieß ja
nur denen, die reinen Herzens sind, daß sie dereinst Gott schauen sollten.
Die denkenden Theologen aller Parteien wußten längst, daß der Mensch
sich der Idee Gottes nur zu nähern vermag, indem er das Höchste, was
er kennt, das Menschliche, noch zu steigern versucht, und mithin in jeder
Gotteslehre einige anthropomorphische Vorstellungen enthalten sein müssen.
Diese allbekannten und eigentlich nie bestrittenen Erfahrungen bewiesen
eben nur die Beschränktheit des menschlichen Denkvermögens. Feuerbach
aber schloß daraus kurzab, die Gottesidee sei ein Wahnbegriff, alle Theo-
logie sei Anthropologie und müsse, sobald dies erkannt worden, augenblick-
lich verschwinden; die Idee offenbare sich nicht in Gott, sondern in der
Gattung der Menschheit. Die ganze wundervolle Kirchengeschichte, die so
viele Jahrhunderte mit Geist und Leben erfüllt hat, war also nur eine
entsetzliche Krankheit; und da kein Mensch ohne Glauben zu leben ver-
mag, so blieb dem vollendeten Atheisten allein übrig, an den Staat zu
glauben, den wahren Menschen, der freilich erst in der Form der Republik
seine Vollkommenheit erreichen sollte. Kein Wort in diesen ungeheuer-
lichen Trugschlüssen, das nicht der Lehre Hegels schnurstracks zuwiderlief;
aber sie waren allesamt mit Hilfe der Hegelschen Dialektik gefunden,
und sie wurden mit so warmer Begeisterung vorgetragen, daß sie das her-
anwachsende Geschlecht, zumal die jungen ehrgeizigen Naturforscher, leicht
betören konnten.
Das weitaus bedeutendste, das einzige wahrhaft folgenreiche Werk
der Junghegelianer war das Leben Jesu von David Friedrich Strauß,
das in dem verhängnisvollen Jahre 1835 wie ein Blitzstrahl in die theo-
logische Welt hineinschmetterte. Die Theologie befand sich, obwohl nicht
arm an tüchtigen Männern, doch in einem Zustande der Unwahrheit,