576 IV. 8. Stille Jahre.
die Ermäßigung der Holzzölle bringe zunächst dem englischen Schiffbau
selber Vorteil, in Deutschland nur den östlichen Provinzen Preußens,
und diesen wolle man die Interessen der sächsischen Baumwollindustrie
nicht aufopfern.“)
Also wuchs das neue Deutschland kräftig heran, zum Schrecken aller
Mächte, die auf Mitteleuropas Schwäche zählten. Und doch war der
Bestand des Zollvereins gerade in diesen ersten Jahren seines fröhlichen
Aufblühens ernstlich bedroht. Diesmal kam die Gefahr aus Preußen
selbst. Das fiskalische Interesse, das durch den Idealismus der Politik
unleugbar schwer geschädigt war, erhob sich zur Abwehr. Die für Süd-
deutschland so günstigen Ergebnisse der Zollvereinsabrechnungen brachten
den preußischen Staatskassen zunächst nur Verluste; die Verteilung der
Einnahmen nach der Kopfzahl erwies sich als eine offenbare Ungerechtig-
keit, zu Preußens Schaden. Preußens Zolleinnahmen betrugen im Jahre
1833 auf den Kopf der Bevölkerung 20 Sgr.; im folgenden Jahre, nach
der Gründung des Zollvereins sanken sie fast um ein Viertel, aus 15½ Sgr.,
und erst im Jahre 1838 wurde der frühere Satz annähernd wieder er-
reicht. In fünf Jahren einer unerhörten Verkehrssteigerung erlitt Preu-
ßens Finanzverwaltung also nur Einbußen. Von den 12,18 Mill. Tlr.,
welche der Zollverein in seinem ersten Jahre unter die Bundesgenossen
verteilte, warf Preußen allein 8,99 Mill. Tlr. ein, während Bayern nur
950 000, Württemberg nur 270 000 Tlr. an Reinertrag eingenommen
hatte. Und dies ungeheuerliche Mißverhältnis zwischen den Einnahmen
der Verbündeten steigerte sich sogar mit den Jahren. Bis zum Jahre 1840
wuchsen die Summen, welche Preußen zur Verteilung einwarf, fast um
die Hälfte, bis auf 12,95 Mill., während Bayerns reine Einnahme sich
nur auf 1,21 Mill. erhob, das Zolleinkammen Württembergs in den Jahren
1838—40 ziemlich gleichmäßig auf der Summe von 427 000 Tlr. verblieb.
Allein in dem verkehrsreichen Sachsen stiegen die Einnahmen noch schneller
als in Preußen, binnen sieben Jahren von 1,07 auf 1,94 Mill. Tlr.;
die übrigen Vereinsstaaten erhielten allesamt von Preußen beständig
wachsende Auszahlungen.
Angesichts dieser Tatsachen ließ sich gar nicht leugnen, daß Preußens
Staatshaushalt von den süddeutschen Verbündeten beständig übervorteilt
wurde, wenngleich ein Teil der in Preußen verzollten Waren späterhin
nach dem Süden weitergehen mochte, und mithin eine genaue Abrechnung
unmöglich war. Minister Rother, der seit 1835 das Handelsamt als ein
selbständiges Ministerium verwaltete, und die anderen gestrengen Finanz-
männer der alten Schule fragten empört: ob jemals ein mächtiger Staat
solche Opfer gebracht habe für eine erhabene Idee? Wo waren denn die
erhofften politischen Vorteile des Zollvereins? Wer nur von oben hin
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*) Frankenbergs Bericht, 31. März 1836.