Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Die Finanzpartei gegen den Zollverein. 577 
sah, konnte sie nirgends entdecken; die Professoren der Staatswissenschaft 
waren mit ihrem Urteil längst im reinen und diktierten in ihren Kolle— 
gien allesamt, der Zollverein sei lediglich ein wirtschaftlicher Bund, ohne 
jede politische Bedeutung. Er verhinderte ja nicht, daß die Abstimmungen 
der Vereinsstaaten am Bundestage oft sehr weit auseinander gingen, daß 
Preußen und Bayern während der kirchlichen Wirren sich scharf befehdeten. 
Bald schloß sich Alvensleben der Meinung Rothers an; desgleichen Schön 
und Ladenberg, die alten eigensinnigen Gegner der Ideen Eichhorns; dazu 
endlich die reaktionäre Partei am Hofe, die von deutscher Politik überhaupt 
nichts hören wollte.“) Sie alle schalten auf den Süden, der so wenig 
Kolonialwaren verzehrte, auf die Leipziger Meßprivilegien und den im 
Erzgebirge noch immer blühenden Paschhandel. überall in Preußen, wo 
man die volkswirtschaftlichen Segnungen des Zollvereins nicht unmittel— 
bar im eigenen Geschäfte verspürte, wurde die Klage laut: der großmütige 
König lasse sich von seinen süddeutschen Freunden „auspumpen“. Auch der 
junge Otto von Bismarck teilte diese im Landadel weit verbreitete Ansicht. 
Nach dem Rechnungsabschluß vom Jahre 1834 erstattete Alvensleben 
dem Könige einen Bericht, der den alten Herrn tief verstimmte. Der 
Minister rechnete „wie ein guter Hausvater“ — so sagten seine altmär— 
kischen Verehrer — und deutete schon an, das ungünstige Ergebnis des 
Rechnungsjahres sei allein dem Zollvereine zuzuschreiben. Schon damals 
war er entschlossen, den Zollverein versuchsweise zu kündigen, um bessere 
Bedingungen für Preußens Staatshaushalt zu erlangen.“*) Der Kron— 
prinz jedoch trat ihm mit warmer patriotischer Leidenschaft entgegen, und 
Kühne schrieb in Rankes Zeitschrift eine Abhandlung „über den deutschen 
Zollverein“, welche die volkswirtschaftliche Bedeutung des Handelsbundes 
in das rechte Licht stellte. So ward die Gefahr für jetzt noch abgewendet. 
Die Finanzpartei aber gab sich nicht zufrieden; sie klagte ganz so wie sie 
einst über das neue Zollgesetz von 1819 und den Untergang der einträg— 
licheren alten Akzise geklagt hatte. Der Generalsteuerdirektor Kuhlmeyer 
saß grimmig brütend über seinen Tabellen, und Alvensleben beteuerte: 
„ich bin eher Preuße als Deutscher.“ Im Dezember 1839 überraschte der 
Minister die Vereinsregierungen durch eine Denkschrift, welche sich über 
die Fortdauer des Zollvereins äußerte; zum mindesten müsse Preußen einen 
anderen Maßstab für die Verteilung des Weinzolles verlangen, da der 
ausländische Wein fast ausschließlich in Preußen verzehrt wurde, und des— 
gleichen für die Verteilung der Branntweinsteuer. Auch die junge Rüben— 
zuckerindustrie wollte der hausväterliche Minister mit einer neuen Abgabe 
belegen und die Steuer womöglich den Einzelstaaten zuweisen, weil nur 
Preußen einen beträchtlichen Rübenbau besaß. ***) 
*) Bergers Bericht, 27. Aug. 1839. 
*“) Nach Kühnes Aufzeichnungen. 
***) Bergers Bericht, 4. April 1839. 
v. Treitschke, Deutsche Geschichte. IV. 37 
 
	        
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