Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Du Thils Herrschaft in Darmstadt. 617 
Erbach benutzten die Ablösungsgelder, um ihren Grundbesitz zu vergrößern, 
aber auch ihre Gutsuntertanen freuten sich der Erleichterung. Den Par— 
tikularismus hatte du Thil immer verachtet, und nach den Wiener Minister— 
konferenzen war er mehr denn je davon überzeugt, daß dies zerfahrene 
deutsche Wesen einer festen Leitung bedürfe; im stillen wünschte er einen 
Kaiser, der ohne Parlament, mit Beirat eines Reichstags deutscher Fürsten, 
die Nation führen sollte. Und dieser gescheite Mann, der die meisten 
Minister der kleinen Staaten weit übersah, war gleichwohl kleinlich miß- 
trauisch wider die liberale Partei, empfindlich gegen jede freimütige Kritik, 
ganz durchdrungen von jenem unnahbaren Dünkel, der das alte Beamten- 
tum auszeichnete. In der Hofburg galt er für den zuverlässigsten aller 
kleinen Minister. Als Metternich 1834 eine geheime Zentralstelle in Süd- 
deutschland einrichtete für die zahlreichen Agenten, welche der Wiener Hof 
in Italien und der Schweiz, in Belgien und dem deutschen Süden unter- 
hielt, da wurde du Thil in das Geheimnis eingeweiht und empfing fortan 
regelmäßige Berichte, während die anderen deutschen Höfe nur zuweilen 
einer vertraulichen Mitteilung gewürdigt wurden. Die niederen Agenten 
hielt er selbst gutenteils für zweideutige Glücksritter; ihm genügte, daß 
der k. k. Oberbeamte, der von Zeit zu Zeit in Darmstadt vorsprach, sich 
wie ein feingebildeter Mann benahm und jedes Geldgeschenk zurückwies.) 
Auf Preußens Freundschaft konnte sich der Mitbegründer des Zollvereins 
immer verlassen. Als er den Landtag von 1833 auflöste, sprach ihm An- 
cillon seine warme Zustimmung aus.) 
Der neue Landtag von 1834 zeigte sich nicht gefügiger. Auch dies- 
mal hatte die Opposition die Mehrheit erlangt, und sie trat, unter der 
Führung Heinrich von Gagerns, so scharf auf, daß einige ängstliche Mit- 
glieder der Minderheit den Ministern erklärten, sie wagten kaum noch in 
der Kammer zu erscheinen, weil jedes ihrer Worte verhöhnt würde. 
Währenddem verweilte du Thil auf den Wiener Konferenzen. Sobald er 
zu bemerken glaubte, daß Hofmann und die anderen Minister sich zu nach- 
giebig zeigten, erbat er sich die Erlaubnis zur Rückkehr. Seine Taubheit 
verhinderte ihn, im Landtage selbst zu erscheinen; er kannte seine Gegner 
kaum, traute ihnen das Argste zu und riet dem Großherzog abermals 
zur Auflösung der Kammer. Ein Anlaß fand sich bald genug. Die Libe- 
ralen stellten einen Antrag auf Wahrung der Selbständigkeit des Richter- 
standes und trafen damit die wunde Stelle des Regierungssystems. Gagern 
erwies in hochpathetischer Rede, daß die Gerichte zu Gunsten einer 
Partei zusammengesetzt würden; diese Partei, so fuhr er fort, verstehe das 
konstitutionelle Prinzip nicht, sie werde vorzugsweise durch das gegen- 
wärtige Ministerium vertreten. Da erhob sich zornglühend der Staats- 
  
*) Nach du Thils Aufzeichnungen. 
**) Ancillon, Weisung an Arnim, 11. Nov. 1833.
	        
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