Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Ministerium Wallerstein. 633 
Rast der politischen Gegensätze in breiten Strömen dem Gebiete der exakten 
und technischen Bestrebungen sich zuwendend, hat in unserem Staate keine 
hemmenden Dämme gefunden.““*) In den Geschäften zeigte sich der Fürst 
tätig und geschickt, nur daß er es mit der Wahrheit seiner Berichte nicht 
immer sehr genau nahm. Als die Cholera in München einzog, hielt er sich 
tapfer und erlaubte keinem Beamten, von der Stelle zu weichen. Genug, 
König Ludwig konnte mit der kürzesten und friedlichsten Ständeversamm- 
lung, die er je erlebt, wohl zufrieden sein und ließ zum Abschied einen 
Geschichtstaler prägen mit der kranzgeschmückten Inschrift: „Der Landtag 
von 1834. Ehre dem Ehre gebühret.“ Überhaupt hielt niemand auf der 
Welt die Regierung dieses Fürsten für so denkwürdig wie er selbst. In 
jedem Jahre pflegte er durchschnittlich zwei historische Münzen auszugeben; 
sei es daß ein Handelsvertrag geschlossen oder ein neuer Orden gestiftet 
war, sei es daß man Gold in der Donau gefunden hatte, jede bajuvarische 
Großtat, auch jedes Denkmal, das er enthüllen ließ, mußte auf geschmack- 
vollen Geschichtstalern verewigt werden. 
Trotzdem war König Ludwig keineswegs gemeint, zu den konstitutio- 
nellen Idealen seiner Jugend zurückzukehren. Die bitteren Erinnerungen 
des Landtags von 1831 konnte er nimmer verwinden; die Verfassung war 
ihm nur ein notwendiges Übel, sein despotischer Eigenwille scheute kaum 
noch die Schranken des formalen Rechts. Hatte er einmal einen seiner 
Minister, Schenk, dem Widerstande des Landtags geopfert, so sollten sie 
fortan alle nur noch die blinden Werkzeuge seines persönlichen Beliebens 
sein. Von ihm allein ging alles aus; darum durften auch die Zeitungen 
nicht mehr von dem Könige und der Regierung, wie von zwei getrennten 
Mächten reden. Hartnäckig blieb er dabei, daß die Armee ihre notwen- 
digen Ausgaben zum Besten der Walhallen und Obelisken „erübrigen“ 
mußte. Von den Stabsoffizieren war schon die größere Hälfte nicht mehr 
dienstfähig, und trotz der dringenden Vorstellungen des Kriegsministers 
verblieb sogar der siebenundachtzigjährige Artillerie-Kommandant, der seit 
zwei Jahrzehnten kein Pferd mehr bestiegen hatte, auf seinem Posten, ob- 
gleich Bayern an General Zoller einen ausgezeichneten Fachmann besaß, 
der die junge Waffe der reitenden Artillerie vortrefflich ausbildete. Seit vier- 
zehn Jahren hatten die Truppen kein Manöver mehr abgehalten, und als 
sie nun endlich zu einem Übungslager auf dem Lechfelde versammelt wurden, 
da erschien dies Ereignis so märchenhaft, daß die gute Stadt Augsburg, 
nach dem Vorbilde des Königs, eine historische Münze zum ewigen Ge- 
dächtnis prägen ließ. Lerchenfeld wurde schon nach Jahresfrist aus dem 
Finanzministerium abermals entfernt; er hatte seiner Pflicht gemäß Ein- 
spruch erhoben, als der König, ohne ihn zu fragen, auf Staatskosten einen 
  
*) Fürst v. Ottingen-Wallerstein an den Ausschuß des bayrischen polytechnischen 
Vereins, 18. Nov. 1838.
	        
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