Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Vierter Teil. Bis zum Tode König Friedrich Wilhelms III. (27)

Geheimer Vertrag über die gemischten Ehen. 687 
auch ihnen nur in der alten Zeit vor den Säkularisationen, als die Kirche 
noch reich, der vornehme Klerus noch national gesinnt war und die Ge— 
heimnisse der Kabinette sich lange bewahren ließen. Wie durfte der evan— 
gelische König Preußens von seinen Landesbischöfen eine so unverbrüchliche 
Treue erwarten, jetzt, da jede Möglichkeit einer Nationalkirche geschwunden 
war, und die monarchische Gewalt des Papstes auch über den Episkopat fast 
schrankenlos gebot? Nur Bunsens Leichtsinn konnte hoffen, daß in dieser 
Epoche der anonymen Zeitungen und der ultramontanen Wühlerei die 
Vereinbarung mit den Bischöfen auf die Dauer geheim bleiben würde, 
eine Vereinbarung, die offenbar alle Kraft verlor, sobald sie bekannt ward. 
Im Frühjahr 1834 wurde der erfindungsreiche Diplomat nach Berlin 
berufen, und obwohl die alten Minister zu seinen kühnen Plänen den 
Kopf schüttelten, so bewahrten ihm doch der König und der Kronprinz ihr 
unbeschränktes Vertrauen. Er erhielt den Auftrag, zunächst mit dem Erz- 
bischof Spiegel zu verhandeln, und fand seinen greisen Gönner zu jeder 
Nachgiebigkeit bereit. Der milde, weltkundige Prälat sah voraus, wie vielen 
Unfrieden die Forderung der katholischen Kindererziehung in der so bunt 
gemischten Kölner Erzdiözese hervorrufen mußte; er erkannte, daß nicht 
bloß die evangelische Kirche beleidigt, sondern auch die persönliche Ehre 
jedes evangelischen Bräutigams beschimpft wurde, wenn man ihm die 
unwürdige Zumutung stellte, in seinen eigensten und heiligsten Angelegen— 
heiten einem fremden Priester ein bindendes Versprechen zu geben. Doch 
wie vertrugen sich diese verständigen Ansichten mit dem päpstlichen Breve? 
Aus dessen absichtlich gewundenen Sätzen ließ sich mit Sicherheit nur das 
eine herauslesen, daß dem Priester höchstens die passive Assistenz gestattet 
sein sollte, falls die Brautleute nicht die katholische Erziehung aller Kinder 
versprächen. Der Erzbischof schwankte lange und fühlte sich in seinem 
Gewissen schwer bedrängt. Da fand sich ein geistlicher Tausendkünstler 
bereit, Bunsens dreiste Dialektik zu unterstützen: der Domkapitular Mün- 
chen, ein gelehrter Kanonist, der in diesen letzten Jahren eine große und, 
wie selbst der Oberpräsident Vincke meinte, nicht immer wohltätige Macht 
über den alternden Kirchenfürsten gewonnen hatte. ) Der bewies in 
einem schwer gelehrten Gutachten — denn was kann römische Hermeneutik 
nicht beweisen? — das Breve erlaube alles, was nicht ausdrücklich darin 
verboten sei. 
Nunmehr war Spiegels Gewissen beruhigt, und nach kurzen Verhand- 
lungen unterzeichnete er mit Bunsen am 19. Juni 1834 einen geheimen 
Vertrag, welcher alles gewährte, was der Staat für den konfessionellen 
Frieden der westlichen Provinzen zu wünschen hatte, aber weder mit dem 
neuen Breve des Papstes noch mit den alten kanonischen Vorschriften über- 
einstimmte. Die kirchliche Einsegnung der gemischten Ehen sollte fortan 
  
*) Vincke an Altenstein, 12. Dez. 1835.
	        
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