Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Ende der Demagogenverfolgung. 105 
rat Berly, der Vertraute des Grafen Münch, in der Frankfurter Ober— 
postamtszeitung (3. April 1841) höhnisch sagte: Preußen denkt nicht „an 
das Schreckgespenst der deutschen Einheit“, das die Franzosen sich vor— 
halten; dergleichen mochte zur Zeit der Schlacht von Roßbach vielleicht 
zutreffen; Friedrich Wilhelm IV. aber weiß, daß Friedrich von Hohen— 
zollern in demselben Jahre Burggraf wurde, da Rudolf von Habsburg 
die Kaiserkrone empfing! 
Ganz ohne heilsame Nachwirkung blieb die schöne nationale Begeiste— 
rung dieser unruhigen Tage mit nichten; in den weltbürgerlichen Taumel 
des letzten Jahrzehnts konnte der deutsche Liberalismus nie wieder ganz 
zurückfallen. Aber sehr merklich war doch die Abkühlung, als die Kriegs— 
gefahr verschwand. Da alle Kriegsrufe, denen kein offener Kampf folgt, 
nachträglich komisch erscheinen, so säumten die Spötter nicht, an dem „de— 
fensiven Enthusiasmus“ Niklas Beckers ihren stumpfen Witz zu wetzen; 
unter den radikalen Philistern aber entstand die Meinung, jede deutsche 
Erhebung, die von den Fürsten gebilligt werde, sei von Haus aus ver— 
dorben. Unterdessen versank die Bundesmilitärkommission bald wieder 
in ihr gewohntes Scheinleben. Sie beriet gründlich über die Wieder— 
ersetzung eines vorzeitig zerrissenen Taues am Roten Brunnen zu Luxem— 
burg; sie brauchte Jahre, um Frieden zu stiften zwischen den hadernden 
Staaten des neunten Armeekorps. Für dieses hatte bisher vertragsmäßig 
das Königreich Sachsen allein die Pontoniere gestellt; da kam der hessische 
Prinzregent plötzlich auf den Einfall, daß sich auch Kurhessen den Genuß 
eines eigenen Brückentrains gestatten dürfe, und kündigte eigenmächtig 
den Vertrag. Der artige Dresdner Hof konnte darauf nicht umhin, „das 
lebhafte diesseitige Bedauern über die jenseitigen Absichten“ auszudrücken; 
Nassau und Luxemburg pflichteten ihm bei. Der Hesse aber erwiderte ent— 
rüstet: er glaube, noch Dank zu verdienen für seinen vaterländischen Eifer, 
denn sein Brückentrain sei 126 Fuß lang, während Kurhessen nach den 
Bundesgesetzen nur für 110 Fuß Brückenlänge zu sorgen habe.“) über 
solchen wichtigen Beratungen gerieten die Rügen der Bundes-Inspektoren 
fast überall in Vergessenheit. In Württemberg betrug der Präsenzstand 
der Kompagnie bald wieder nur 15 Mannz und sollte die Stuttgarter Gar- 
nison bei Eröffnung des Landtags Spalier bilden, dann mußten in Eile 
die Beurlaubten einberufen werden.) 
Auch auf den anderen Gebieten der Bundespolitik vermochte König 
Friedrich Wilhelm von seinen guten Absichten fast gar nichts durchzu- 
setzen. Er erreichte nur, da er selbst mit dem guten Beispiele der Am- 
nestie vorangegangen war, daß die Demagogenverfolgung endlich aufhörte 
und die Bundes-Zentralbehörde im August 1842 vertagt wurde — denn 
  
*) Dönhoffs Berichte, 17. Mai 1844 ff. 
**) Bericht von General v. Thun, Stuttgart 22. Jan. 1848.
	        
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