Bunsen Gesandter in London. 125
diesen Verhandlungen überhaupt nicht verfolgt, sondern immer wieder be—
scheiden gemahnt: „effacieren wir uns;“ und da er nun das christliche
Liebeswerk, das ihm allein am Herzen lag, gesichert sah, so beschloß er
seinen Unterhändler glänzend zu belohnen. Seit dem Herbst 1841 begann
er die längst geplante Verschiebung im diplomatischen Korps durchzuführen.
Minister Werther erhielt ein hohes Hofamt, und an seine Stelle trat
Graf Maltzan, bisher Gesandter in Wien. Bülow, dessen Talente der
König sehr hoch anschlug, wurde zum Danke nach Frankfurt versetzt, um
frischen Zug in die Bundespolitik zu bringen. Bei der Ernennung des
Nachfolgers zeigte Friedrich Wilhelm ein galantes Zartgefühl, wie es in
der Geschichte der Diplomatie unerhört war; er ließ der jungen Königin
selbst die Wahl zwischen drei Namen: Graf Arnim, Graf Dönhoff,
Bunsen. Die Antwort konnte kaum zweifelhaft sein, da Bunsen während
der jüngsten Verhandlungen allen englischen Wünschen so geschmeidig
nachgegeben hatte. Nach Rücksprache mit der Königin erwiderte Lord Aber—
deen: „wir können nichts Besseres tun, als zu behalten, was wir haben,“
also Bunsen; die beiden anderen Herren kennen wir nicht.“)
Unmöglich konnte England eine bessere Wahl treffen, unmöglich
Preußen eine schlechtere. Die schwächste der großen Mächte brauchte als
Vertreter Männer von starkem preußischem Stolze, Männer, welche die
Selbständigkeit ihres bei den älteren Großmächten noch kaum für voll
angesehenen Staates rücksichtslos wahrten. Daran hatte es schon Bülow
zuweilen fehlen lassen, da er sich mit den Jahren bis zur Selbstver-
gessenheit in englische Anschauungen eingelebt hatte. Bunsen aber war
bereits, als er sein Amt antrat, durch den Einfluß seiner britischen Gattin
halb zum künstlichen Engländer geworden; mehrere seiner Kinder nahmen
die Nationalität der Mutter an; das Unglück so vieler Diplomatenfami-
lien, die internationale Verschwommenheit ließ sich von diesem Hause gar
nicht abwenden. Welch eine Genugtuung für den selbstzufriedenen Mann,
als er, so bald nach seinen römischen Niederlagen, aus dem stillen Land-
hause auf dem Hubel bei Bern plötzlich nach dem stattlichen Prussia-
House auf Carlton-Terrace versetzt wurde. Dort sah er in seiner näch-
sten Nachbarschaft den Buckingham-Palast der Königin, den Westminster-
palast des Parlaments, das Auswärtige Amt in Downingstreet, die alten
Bäume des St. James-Parkes, überall die Zeugen einer großen Ge-
schichte. Hellauf leuchtete das Flackerfeuer seiner leicht entzündlichen Be-
geisterung; Staat und Kirche, Land und Leute der reichen Insel erschienen
ihm in rosigem Lichte. Sein eigenes Amt hielt er für den wichtigsten
diplomatischen Posten Preußens, und hoch beglückte ihn das Bewußtsein,
*) Bericht des Gesandtschaftsverwesers Leg.-Rat v. Schleinitz an den König, 16.
Nov. 1841. Persönliche Bedenken gegen die beiden anderen Vorgeschlagenen lagen nicht
vor; die Erzählung in Stockmars Denkwürdigkeiten S. 385 ist nicht ganz richtig.