Prinz Albert. 127
so leichtlebigen Hof eine bürgerliche Wohlanständigkeit eingezogen war,
welche selbst der Sittenrichter-Strenge des preußischen Königspaares ge—
nügte. Die wenigen entschiedenen Monarchisten, welche England noch
besaß, hegten den verständigen Wunsch, daß Victoria sich mit ihrem fast
gleich alten Vetter, dem Prinzen Georg von Cambridge vermählen möchte;
dann konnte ein Wechsel der Dynastie, der das Ansehen der Krone immer
schädigt, dem Lande erspart bleiben. Die Königin aber wollte gut bürger—
lich ihrer Neigung folgen, und ihr Oheim König Leopold hatte schon dafür
gesorgt, daß ihr Herz nicht weit von den Wegen des Hauses Koburg ab—
irren konnte. Sein Neffe, der schöne, für die Brautfahrt sorgfältig vor—
bereitete Prinz Albert errang sich die Hand Victorias, die so lange ver-
geblich erstrebte Stellung eines englischen Prinzgemahls ward wirklich
einem Koburger gewonnen, die vierte Königskrone stand den Wettinern
in Aussicht, der luftige Bau der sächsischen Hauspolitik kam unter Dach.
Prinz Albert bekam anfangs den Deutschenhaß der Briten schwer zu
empfinden. Zahlreiche Zerrbilder stellten ihn dar inmitten seines bärtigen,
rauchenden, biertrinkenden Gefolges; man bezweifelte boshaft, ob dieser
Sohn des ältesten Bekennergeschlechtes der Protestanten evangelisch sei,
da ja seine Vettern, die Koburg-Koharys sich der römischen Kirche zuge-
wendet hatten; sein Jahreseinkommen ward vom Parlamente unanständig
knapp bemessen, der Titel eines König-Gemahls, den ihm die zärtliche
Gattin zudachte, stieß auf allgemeinen Widerspruch, und ein Mitglied des
Geheimen Rats sagte höhnisch zu Bunsen: wir können ihn doch nicht
gegebenen Falles König-Witwer nennen.) Selbst den Namen eines Prinz-
gemahls gewährte man dem Deutschen erst nach Jahren, und Zeit seines
Lebens gelang es ihm nie, das Mißtrauen des Inselvolkes gänzlich zu
überwinden.
Gleichwohl gewann er durch Klugheit, Takt, ernste gemeinnützige
Tätigkeit nach und nach einigen Boden. Die Damen waren von vorn-
herein für den schönen Prinzen, und die beiden großen Adelsparteien
fanden es bald ratsam, sich seiner Unterstützung zu versichern.**) Die
Briten freuten sich an dem wohlgeordneten Haushalt und dem Familien-
glück der Königin, das alljährlich mit großer Pünktlichkeit, sobald die von
den Naturgesetzen gebotene Zwischenzeit ablief, durch die Geburt eines
Kindes verschönt wurde. Der Hof wurde endlich wieder eine soziale Macht,
obgleich er nie mehr, wie einst in den Tagen der Stuarts, den Mittel-
punkt des hauptstädtischen Lebens bilden konnte, und die gründlich fri-
vole vornehme Gesellschaft Londons mußte sich mindestens in ihrer äußeren
Haltung nach den ehrbaren höfischen Sitten richten. Zum ersten Male seit
der Thronbesteigung der Welfen zeigte das königliche Haus wieder einiges
*) Bunsens Bericht, 6. Jan. 1842.
**) Bülows Bericht, 2. Juni 1840.