Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

136 V. 2. Die Kriegsgefahr. 
der Eitelkeiten nur vollendete Tatsachen entscheiden konnten, und schloß 
im April 1844 mit seinen Vettern von Meiningen und Altenburg einen 
Hausvertrag, kraft dessen die sächsischen Herzoge eigenmächtig den Titel 
Hoheit annahmen. Alles zürnte über diese Umgehung der Bundesgewalten, 
und auf Metternichs Befehl brachte Graf Münch am 20. Juni die Sache 
am Bundestage zur Sprache. Dringend verlangte er zugleich Wahrung 
des Geheimnisses, da die Verhandlungen sich von Haus aus sehr stürmisch 
anließen. Während mehrere Regierungen der selbstgeschaffenen neuen 
Hoheit die Anerkennung verweigern wollten, erklärte der Gesandte der 
ernestinischen Herzoge hochtrabend, jeder Bundesbeschluß in dieser Frage 
sei unzulässig, sei ein Eingriff in die Souveränitätsrechte. Eine solche 
Sprache schien dem Könige von Preußen, der den Bundestag so warm 
verehrte, ganz unerträglich. Er schrieb entrüstet: „Der Zustand dieser 
ebenso ridikülen als für die deutsche Sache und Einheit bedrohlichen Sache 
reduziert sich nach der letzten inqualifiablen Erklärung der sächsisch herzog- 
lichen Häuser auf die Frage, ob der Bund und in specie der Bundestag 
ein alter Esel ist, der sich solche Dinge bieten läßt.“ Er ließ sie sich bieten; 
denn ihm fehlte jede Macht, souveräne Fürsten zu zwingen, und die großen 
Höfe des Westens hatten sich inzwischen schon beeilt, die Koburger als 
Hoheiten zu begrüßen. Wohl wies der preußische Gesandte Graf Dönhoff 
die bundesfeindlichen Behauptungen der Ernestiner in scharfer Rede zurück; 
zuletzt mußte man sich doch in das Geschehene ergeben, und der Bund 
beschloß (16. Aug.), alle regierenden Herzoge Deutschlands fortan Hoheit 
zu benamsen.*.) Dann währte der Zank noch ein Jahr lang fort; Dön- 
hoff fürchtete schon, Frankreich könnte die Majestäts-Gelüste Badens und 
Hessens für einen neuen Rheinbund ausbeuten, bis sich endlich der kur- 
fürstliche und die großherzoglichen Höfe begnügten, die Titel ihrer Prinzen 
angemessen zu verschönern.) 
Friedrich Wilhelm brauchte lange, bis er dem Hause Koburg diesen 
Streich gegen die Würde seines geliebten Bundestags verzieh, und auch 
der englische Hof zeigte bald, daß er sich durch seinen kirchlichen und 
politischen Liberalismus wie durch seine Familieninteressen weit stärker zu 
dem Bürgerkönige hingezogen fühlte als zu dem Könige von Preußen. Die 
enge, durch die Heiraten Leopolds von Belgien und des Herzogs von 
Nemours begründete Verbindung der Häuser Orleans und Koburg wurde 
während der nächsten Jahre durch zwei neue Prinzenhochzeiten noch mehr 
befestigt, und im Herbst 1843 sahen die Franzosen, was seit Jahrhunderten 
unerhört war, den englischen Hof an ihrer Küste landen, um das Königs- 
paar im Schlosse Eu zu besuchen. Der lebhafte Verkehr, der sich nun- 
  
*) Dönhoffs Berichte, 20. 27. Juni, 16. August 1844 nebst Randbemerkungen des 
Königs. 
*“) Dönhoffs Bericht, 10. Juli 1845.
	        
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