Die Provinziallandtage von 1841. 143
seinem Ermessen zu vollenden, wenn er nur rasch handelte und auf dem
Boden des Rechts blieb. Aber die Stunde drängte. Selbst die Verhand—
lungen dieser so überaus bescheidenen Stände zeigten, daß eine neue Zeit
gekommen war, deren Ansprüche beständig wuchsen. Zum ersten Male
seit langen Jahren bewies das Volk den Landtagen wieder lebhafte Teil—
nahme, eine unerhörte Menge von Petitionen ward ihnen zugesandt; und
wie sorgsam man sich auch hütete, die Gefühle des Königs zu verletzen,
die beengenden Schranken der Geschäftsordnung ließen sich doch nicht ein—
halten, immer wieder sprachen die Redner über allgemeine Landesange—
legenheiten.
Im Auslande erweckten schon die ersten leisen Regungen des neuen
preußischen Parteilebens tiefen Argwohn; man wußte dort von altersher,
obwohl man es ungern aussprach, daß das deutsche Volk gleich dem edlen
Rosse seine Stärke nicht kannte. Schwer geängstigt hielt Metternich dem
Grafen Maltzan vor: durch die Reden des Posenschen Landtags würden
Osterreichs Tschechen und Polen aufgestachelt, während zugleich der ge—
samte deutsche Liberalismus hoffend auf Preußen blicke; er wußte aus
aufgefangenen Briefen, daß Rauschenplatt und andere Flüchtlinge den süd—
deutschen Genossen vorläufig Ruhe empfahlen, weil der Erfolg in Berlin
zuletzt nicht fehlen könne.“) Auch der französische Hof hielt den Sieg des
konstitutionellen Systems, bei dem liberalen Geiste des preußischen Be—
amtentums, für unvermeidlich.“s) Nun gar der Zar wähnte seinen
Schwager schon ganz in den Klauen der Revolution; er empfing außer
den verständigen Berichten seines Berliner Gesandten Meyendorff auch
Meldungen von subalternen Agenten seiner geheimen Polizei, die dem
Selbstherrscher gern nach dem Munde redeten, und sprach seine Besorg-
nisse für Preußen laut vor dem Hofe aus. Ruhiger ward er erst, als
der Prinz von Preußen zur Hochzeit des Großfürsten-Thronfolgers nach
Petersburg kam und ihm die Preußischen Zustände nicht ohne Bedenken,
aber ohne Furcht schilderte.)
In der Tat bewiesen die Landtage wie in der Verfassungsfrage so auch
in den Finanzsachen dem Könige ein wahrhaft kindliches Vertrauen. Fried-
rich Wilhelm verlangte ihren Rat wegen eines Steuererlasses von etwa
1½⅛ Mill. Tlr., den er seinem Volke zu gewähren dachte, falls die Kriegs-
gefahr vorüberginge, und befahl darum, eine Übersicht der außerordent-
lichen Ausgaben der jüngsten Zeit für die Stände zusammenzustellen. Die
Minister Alvensleben und Rother unterzogen sich, mit Beihilfe des Geh.
Rats Voß, dieser Aufgabe und berechneten (11. Febr.) den außerordent-
lichen Aufwand der elf Jahre 1830—40 im ganzen auf 63222527 Taler.
*) Maltzans Berichte, 6. April 1841 ff.
*) Berichte des Ministerresidenten Rumpf an den Hamburger Senat, Paris, April
1841.
***) Liebermanns Berichte, 23. März, 11. Mai 1841.