166 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
an die Stelle der anderen setzen will.“ General Dohna beeilte sich
natürlich, diesen Brief überall zu verbreiten, und von konstitutionellen
Plänen des Königs konnte fortan niemand mehr reden.
Ein Jahr nach Schöns Entlassung, 8. Juni 1843, feierten die Ost—
preußen den fünfzigsten Jahrestag seines Eintritts in den Staatsdienst.
Einige angesehene Männer des Landes hatten eine Sammlung veran—
staltet, und — so stark war schon die Macht der liberalen Legende —
selbst aus Süddeutschland liefen Beiträge ein, obgleich der eingefleischte
altpreußische Partikularist sich um die übrigen Deutschen nie viel geküm—
mert hatte. Der Ertrag reichte aus, um Schöns Familiengut Arnau
von Schulden zu entlasten; mit dem Überschusse wollte man ihm noch
bei Lebzeiten ein Denkmal, einen Obelisken in Königsberg, errichten, ein
in jener Zeit ganz unerhörter Plan, den der König genehmigte, doch ohne
dem Jubilar sonst noch eine Gnade zu erweisen. Schön sträubte sich
lange, dem Feste der Grundsteinlegung beizuwohnen, er wollte, wie er mit
verblüffender Kindlichkeit sagte, keine Untreue gegen sich selbst begehen.
Die Mitglieder des Festausschusses mußten ihn erst mehrfach durch Briefe
und Besuche bedrängen, bis sie sich endlich rühmen konnten, „einmal im
Leben seinen Entschluß geändert zu haben.“ Fast die ganze Provinz
nahm teil, als nunmehr „großartiger Bürgertugend die Huldigung dar-
gebracht“ wurde; nur die Strengkirchlichen und einige aus den konser-
vativen Adelskreisen hielten sich fern. Nicht bloß der aufgeklärte Theolog
Cäsar von Lengerke ließ seine den Liberalen allezeit gefällige Leier erklingen;
selbst Eichendorff, der gut katholische Dichter, der während seiner Königs-
berger Amtszeit das Land und dessen langjährigen Beherrscher lieben ge-
lernt hatte, sendete „dem braven Schiffer“ seinen Festgruß:
Und da die Brandung sich verlief,
Die Wasser müde sanken,
Gerettet hat er aus dem Tief
Den Hort uns der Gedanken.
Auch die Universität überreichte ihren Glückwunsch; denn fast überall
war das Professorentum schon für den Liberalismus gewonnen. Die
Hauptrede hielt Friedrich von Fahrenheid, der volksbeliebteste Mann vom
liberalen ostpreußischen Adel, ein transzendentaler Pferdezüchter, wie Schön
ihn nannte, vielseitig gebildet, menschenfreundlich, hochverdient um Wiesen-
bau und Wettrennen. Bescheiden wies der Gefeierte die Lobsprüche von
sich und sagte, durchaus nach dem Sinne der Ostpreußen: alles Verdienst
seines ganz der Idee gewidmeten Lebens gebühre seinem großen Lehrer Kant.
Es war ein großes Familienfest der Provinz, und auch fernerhin blieb der
alte Herr bei der Mehrzahl seiner Landsleute in solchem Ansehen, daß jeder
Zweifel an seiner Größe fast wie ein Landesverrat betrachtet wurde;
denn in einer langen Amtsführung war sein Name unzertrennlich mit
der Provinz verwachsen, die mannigfachen guten Früchte seines Wirkens