Selbstherrschaft des Königs. 13
Tafelrunde in allen Augen den Abglanz seiner eigenen siegreichen Per—
sönlichkeit widerstrahlen sah, dann sagte er oft mehr als in seinem
Willen lag.
Und seltsam, während sonst Naturen von so vielseitiger Empfänglich—
keit sich anderen anzuschmiegen pflegen, stand Friedrich Wilhelm ganz auf
eigenen Füßen. Hier lag das Rätsel dieses seltsamen Charakters, hier
der Grund, warum er selbst von großen Köpfen so oft überschätzt wurde.
In sorgloser Heiterkeit, ganz unantunlich, wie die Holländer sagen, schritt
er durch das Leben; kraft der Weihe seines königlichen Amtes, kraft seiner
persönlichen Begabung glaubte er alle Welt weit zu übersehen, und es
gefiel ihm zuweilen, seine Absichten in ein ahnungsvolles Dunkel zu hüllen,
durch halbe, unklare Worte die kleinen Sterblichen in Verwirrung zu
setzen. Ohne durchgreifende Willenskraft, ohne praktischen Verstand, blieb
er doch ein Selbstherrscher im vollen Sinne. Niemand beherrschte ihn;
aller Glanz und alle Schmach seiner Regierung fiel auf ihn selbst allein
zurück. Auf den Widerspruch seiner Räte ließ er wohl einen Lieblings-
plan plötzlich fallen, und dann schien es eine Weile, als ob die Gedanken
in diesem unruhigen Kopfe wechselten wie die Bilder im Wandelglase —
bis sich endlich mit einem Male zeigte, daß der König an seinem ursprüng-
lichen Plane mit einer seltsamen stillen Zähigkeit festgehalten hatte und,
trotz allem, was dazwischen lag, zu ihm zurückkehrte. Er gab nichts auf und
setzte wenig durch. Neigungen des Gemüts und fertige Doktrinen be-
stimmten seine Entschlüsse; Gründe der politischen Zweckmäßigkeit konnten
dawider nicht aufkommen.
Und diese Unabhängigkeit von fremdem Urteile war ein Glück für
den Monarchen; denn aller Menschenkenntnis bar zeigte er eine höchst
unglückliche Hand in der Wahl seiner Ratgeber, eine wunderliche Nei-
gung, bedeutende Männer an die falsche Stelle zu setzen oder sie durch
unmögliche Zumutungen rasch zu vernutzen, so daß, außer den beiden
persönlichen Vertrauten Thile und Stolberg, nur ein einziger seiner Mi-
nister Eichhorn, die acht Jahre bis zur März-Revolution ganz bei ihm
ausgehalten hat. In allem abweichend von der unzugänglichen Schüch-
ternheit des Vaters, liebte er jedermanns Meinung zu befragen; in der
Unterhaltung hörte er freimütigen Widerspruch gern, ja er schien ihn
durch kecke Behauptungen fast herauszufordern. Den Freunden beteuerte
er seine Zuneigung mit einer Überschwenglichkeit, die ihn oft in den
Verdacht der Falschheit brachte, obwohl sie stets der unwillkürliche Aus-
druck seiner Stimmung war. Feinsinnig erriet er alle Wünsche seiner
Getreuen und erfüllte sie mit königlicher Freigebigkeit, zart und rücksichts-
voll schonte er ihre menschlichen Schwächen. Wenn er gewinnen wollte,
dann entfaltete er eine bezaubernde Liebenswürdigkeit und verschmähte
selbst die kleinen weiblichen Künste des Schmollens nicht. Gleichwohl
fühlte er sich durch seine königliche Würde so hoch erhoben, daß ihm die