224 V. 3. Enttäuschung und Verwirrung.
Königs der Franzosen deutsche Wissenschaft zu ehren. Das sollte anders
werden. Friedrich Wilhelm beschloß, dem einzigen preußischen Orden,
der noch nicht durch Verschwendung an Wert verloren hatte, dem fri-
derizianischen Kriegsorden pour le meérite eine Friedensklasse hinzuzu-
fügen, welche nur für dreißig hervorragende Gelehrte und Künstler als
stimmfähige Ritter deutscher Nation bestimmt war, dazu noch für dreißig
ausländische Ritter ohne Stimmrecht. Nach Todesfällen sollte der Orden
künftighin, damit sein Ansehen ungeschmälert bliebe, nur auf Vorschlag
der Ritter selbst verliehen werden. Offenbar schwebte dem Könige der
Gedanke vor, die Symposien von Sanssouci in idealer Form zu erneuern.
Humboldt, der natürlich zum Kanzler des Ordens ernannt wurde, fühlte
sich so recht in seinem Element, als er dem Monarchen bei den ersten
Ernennungen Ratschläge erteilen durfte; und in der Tat fiel die Wahl
durchweg auf ausgezeichnete Männer. Einige Not bereitete der greise Bild-
hauer Gottfried Schadow; der erklärte eigensinnig: ich nehme den Orden
nur an, wenn mein Wilhelm — der Direktor der Düsseldorfer Akademie
— ihn auch erhält. Da sagte ihm der König in seiner unerschöpflichen
Gutherzigkeit zu, Wilhelm solle dereinst in des Vaters Stelle eintreten,
und verfügte eigenhändig: Bei Papa Schadow muß der Sohn als erb-
berechtigt angeführt werden. Der Sohn kann aber die Dekoration tragen
ohne Stimmrecht.“ 7)
Unter den dreißig Rittern war nur ein gänzlich unwürdiger: Metter-
nich. Der hatte zwar vor Jahren dem jungen Leopold Ranke die ver-
schlossenen Wiener Archive geöffnet, doch sonst niemals etwas Nennens-
wertes für Deutschlands Kunst und Wissenschaft getan, sondern das
geistige Leben der Nation durch die Karlsbader Beschlüsse nach Kräften
geschädigt. Und gerade ihn betrachtete sein königlicher Bewunderer als eine
hohe Zierde der neuen Stiftung;?**) er teilte ihm die Verleihung mit, in
einem gemütlich witzelnden Briefe, als ob Metternich durch seinen Bei-
tritt den anderen Rittern eine große Gunst erwiese, und bat ihn sogar
den Orden zwar anzunehmen, doch niemals zu tragen, weil neben dem
Goldenen Vließe dafür kein Platz bleibe. Das war der Ton nicht, in
dem ein König von Preußen einem ausländischen Untertan eine seltene,
ganz unverdiente Ehre ankündigen durfte. Friedrich Wilhelm ließ sich's
nicht träumen, daß man in Wien noch keineswegs gemeint war, den preu-
ßischen Staat als eine ebenbürtige Macht anzusehen, und ahnte kaum, wie
seine herzliche Vertraulichkeit auf den hochmütigen k. k. Staatskanzler
wirken mußte, der natürlich eine gewandte, hofmännische Antwort gab.
Im folgenden Jahre feierte der König den Jahrestag des Verduner
Vertrags, „das tausendjährige Jubiläum von Deutschland“, wie er es
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, 26. Mai 1842.
**) König Friedrich Wilhelm an Thile, 24. Mai 1842.