Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Prinz von Preußen. Entlassung Alvenslebens und Mühlers. 265 
denn die neufranzösischen Schmähreden wider das Söldnerwesen drangen 
allmählich auch in Preußen ein; da alle Welt auf die Regierung schalt, 
so hielt man die schweigende Treue der Offiziere für servil, und mannig— 
fache häßliche Zänkereien bekundeten schon eine Feindschaft zwischen Heer 
und Bürgertum, die in vielen Rheinbundsstaaten wohl gute Gründe 
haben mochte, in dem Lande der allgemeinen Wehrpflicht aber schlechthin 
sinnlos war. Genug, die bösen Zungen ließen von dem Thronfolger 
nicht mehr ab: er sollte des Königs böser Dämon in der Politik sein, wie 
Eichhorn in den kirchlichen Dingen. Das schändliche Gerede fand schließ- 
lich fast überall Glauben; in solchen Zeiten, da die politische Leidenschaft 
schon erwacht ist, aber ein öffentliches Leben noch nicht besteht, wuchern 
ja die Legenden der Parteien immer am üppigsten auf. In Wahrheit 
besaß der Prinz, trotz seiner hohen Staatswürden, zur Zeit gar keinen 
politischen Einfluß; auch die zur Schau getragene Christlichkeit der neuen 
Gottseligen widerstand seinem einfachen Gradsinn. 
Zum großen Leidwesen des Königs verlangte im Frühjahr 1844 
Graf Alvensleben seine Entlassung aus dem Amte des Kabinettsministers, 
das er nur ein Jahr lang bekleidet hatte. Sein derber Geschäftsverstand 
konnte die Unruhe der pläneschmiedenden Planlosigkeit nicht mehr ertragen; 
und nicht bloß die von Humboldt verhöhnten Montmorencys des Havel- 
landes beklagten seinen Rücktritt, sondern auch Kühne und alle die er- 
fahrenen Beamten, die jetzt den strengen Ordnungssinn des alten Königs 
überall schmerzlich vermißten. *) An Alvenslebens Stelle trat Bodel- 
schwingh, der sich kaum erst im Finanzministerium eingerichtet hatte. Es 
war ein ewiges Kommen und Gehen. Für die Finanzen schlug Bodel- 
schwingh seinen treuen Gehilfen Kühne vor, unzweifelhaft den tüchtigsten 
unter den Fachmännern. Der König aber scheute die scharfe Zunge des 
freigeistigen alten Junggesellen und berief zum allgemeinen Erstaunen 
Flottwell — wieder einen bedeutenden Mann auf eine falsche Stelle. 
Flottwell hatte, seit er aus Posen verdrängt worden, in Magdeburg 
abermals sein glänzendes Verwaltungstalent bewährt; jedoch vom Finanz- 
wesen verstand er wenig, seine feurige, ungestüme Natur paßte nicht für 
diese Geschäfte, und die reichsständischen Pläne des Monarchen konnten 
an dem Schüler Schöns auch keine Stütze finden. Der Prinz von 
Preußen sagte betrübt: „Alvenslebens Ausscheiden ist mehr wie eine 
Kalamität, ebenso Bodelschwinghs Verlassen der Finanzen. Beide Stellen 
sind be-, aber nicht er setzt.““) 
Gleich darauf mußte noch einer der Minister des alten Königs, 
Mühler zurücktreten. Er konnte sich mit seinem nächsten Amtsgenossen 
Savigny nicht verständigen, er hatte gegen das Ehegesetz gestimmt, auch in 
  
*) Nach Kühnes Aufzeichnungen. 
**) Prinz von Preußen an Thile, 25. April 1844.
	        
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