Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Arnims erstes Entlassungsgesuch. 267 
Gesetze von 1815—23 gewissenhaft eingelöst und jedes Rechtsbedenken 
abgeschnitten. Verteile man hingegen, nach der Absicht des Monarchen, 
die reichsständischen Befugnisse zwischen den Vereinigten Ausschüssen und 
einem Vereinigten Landtage, so würde das Volk weder jene noch diesen als 
Reichsstände gelten lassen; man hätte also „alle Nachteile der vollständigen 
Erfüllung jener Gesetze, ohne ihre Vorteile“. ) Es war die Sprache 
des gesunden Menschenverstandes, und ehe drei Jahre verflossen, sollten 
Arnims Weissagungen wörtlich in Erfüllung gehen. Dem Könige aber, 
der alles Hohe und Feine so geistvoll faßte, war gerade das Einfache, Platt- 
verständliche am wenigsten beizubringen. Arnims Vorschläge wurden ver- 
worfen, und darauf (17. Mai) erbat er seine Entlassung. In zwei Ein- 
gaben schilderte er zugleich sehr freimütig die Ursachen der gegenwärtigen 
Verwirrung: der König selbst hätte durch seine ersten Reden hohe Erwar- 
tungen erregt, aber dabei „einen anderen Entwicklungsgang vor Augen 
gehabt als die Mehrzahl derer, die diese Worte vernahmen“. So seien 
Mißverständnisse entstanden, dann heftige Angriffe, dann Unterdrückung 
und jetzt endlich allgemeines Mißtrauen. Dazu noch die Uneinigkeit im 
Ministerium und die eigentlich gegenstandslose, aber durch die Maß- 
regeln der Regierung selbst beförderte religiöse Aufregung.) 
Durch gütiges Zureden ließ sich Arnim endlich bewegen, sein Ab- 
schiedsgesuch für jetzt zurückzuziehen; und so begannen denn von neuem 
die geheimen Beratungen, endlos und zwecklos, weil der König von Haus 
aus entschlossen war, sich von Männern, die er so tief unter sich sah, in 
seinem Lieblingsplane nicht stören zu lassen. Auch Bunsen mußte bei 
seinem Berliner Aufenthalt sein Gutachten abgeben, und da ihm die Ar- 
beit durch seine gänzliche Unkenntnis der preußischen Verhältnisse sehr er- 
leichtert wurde, so entstiegen seiner schöpferischen Phantasie alsbald mehrere 
Denkschriften, welche nicht nur die ständische Verfassung, sondern auch 
das Krongut, die Kirchenpolitik, die Rechte des Beamtentums, die Neu- 
bildung des Adels nach englischem Muster behandelten. General Canitz, 
der ebenfalls von seinem Gesandtschaftsposten zur Beratung herbeigerufen 
wurde, unterzog diese luftigen Einfälle einer schneidenden Kritik, aber 
eigene Vorschläge wußte er nicht aufzustellen.) 
Da wurde der König durch ein gräßliches Erlebnis an den Ernst der 
Zeit gemahnt. Schon seit zwei Jahren waren im königlichen Kabinett zahl- 
reiche Anzeigen, auch Selbstanzeigen eingelaufen, welche von Mordanschlägen 
wider den Monarchen erzählten. Das alles erwies sich als leere Erfindung 
und war doch nicht ganz unwichtig; man konnte daraus abnehmen, wie 
leidenschaftlich, in Haß und Liebe, alle Welt sich mit diesem einen Manne 
beschäftigte. Nun sollte doch noch geschehen, was in der Geschichte Preußens 
*) Arnim, Denkschrift über die ständische Verfassung, April 1844. 
**) Arnim, Eingabe an den König, 26. Mai, nebst Denkschrift vom 25. Mai 1844. 
* #) Canitz an Thile, 24. Nov. 1844. Thile an Arnim, 5. April 1845. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.