Diepenbrock. 301
Amte besser gesicherten Pfarrer des rechten Ufers wußte er durch eiserne
Disziplin niederzuhalten. Er gehörte nicht förmlich dem Jesuitenorden an
wie sein Freund Reisach; doch in rein jesuitischem Geiste ließ er das Bonner
Konvikt durch Professor Martin leiten. Die Seele der Bonner Fakultät
war der aus Speier mit herübergekommene Schwabe Dieringer, ein Theolog
von geringer wissenschaftlicher Bedeutung, aber unschätzbar als rühriger
ultramontaner Parteimann. Da die katholische Abteilung des Ministe-
riums gern ein Auge zudrückte, so entstand in der Stille eine Reihe von
Klöstern ohne die gesetzlich notwendige Genehmigung des Landesherrn.
Geissel wollte die politische Herrschaft, die der Klerus am Rhein so lange
behauptet hatte, durch eine ebenso wirksame soziale Herrschaft ersetzen.
Weithin über das Land spannte sich nach und nach ein dichtes Netz von
katholischen Genossenschaften aller Art, die für Krankenpflege und Armen-
versorgung manches Gute wirkten, immer aber ein hartes konfessionelles
Gepräge trugen; bald traten auch rein gesellige, offen oder insgeheim von
Geistlichen geleitete Vereine hinzu. Der Verkehr zwischen den beiden Kon-
fessionen beschränkte sich mehr und mehr auf das geschäftliche Leben; der
Haß gegen die Protestanten wurde den katholischen Familien durch die
Beichtväter so nachdrücklich eingeschärft, daß nur noch selten evangelische
Dienstboten bei katholischen Herrschaften Aufnahme fanden.
Etwas erfreulicher gestalteten sich die kirchlichen Zustände in Schlesien.
Da der neue Fürstbischof Knauer schon nach kurzer Zeit, 1844 starb,
so wurde dem Könige die Freude, daß Melchior Diepenbrock den fürst-
bischöflichen Stuhl bestieg, der edelste Charakter unter den deutschen Kirchen-
fürsten dieser Zeit. Friedrich Wilhelm hatte den frommen Westfalen
schon 1840 in Regensburg durch seinen Radowitz, bei Gelegenheit der
militärischen Rundreise besuchen lassen und seitdem nicht mehr aus den
Augen verloren. Wohl zeigte schon Diepenbrocks Einzug, wie gründlich
das kirchliche Leben verwandelt war. Der katholische Adel bereitete dem
Oberhirten prächtige Huldigungen, wie man sie unter preußischer Herr-
schaft noch nie erlebt hatte. Und stolz genug schritt er einher, eine große,
schlanke, würdevolle Gestalt mit schönen, schwärmerischen Augen; jede
Miene verkündete, wie hoch erhoben er sich jetzt über allen Laien fühlte.
Keine Macht der Welt konnte ihn in der strengsten Erfüllung seiner kirch-
lichen Pflichten beirren: den Fürsten Hatzfeldt, an dessen Seite er soeben
in Breslau eingefahren war, exkommunizierte er kaum zwei Jahre später,
weil der Fürst sich inzwischen von seiner Gemahlin getrennt und eine
neue Ehe geschlossen hatte. Auch die klerikalen Strömungen der Zeit
ließen ihn nicht ganz unberührt; es währte nicht lange, so verlangte er
wie Geissel das Recht, den theologischen Professoren der Landesuniversität
die kanonische Mission zu erteilen. Aber unendlich höher als die Macht
seiner Kirche stand ihm doch der lebendige Geist des Christentums. Als
er nach der Bischofsweihe majestätisch vor den Altar trat und den Stab