Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Itzstein. Welcker. Haber. 331 
orten begrüßten sich die Badener mit den Gesinnungsgenossen aus Nassau 
und Hessen. Auf einem dieser Rheingaufeste stimmte Hoffmann von Fallers— 
leben, der Unvermeidliche sein „Willkommen Vater Itzstein“ an — ein 
Lied, das rasch die Runde durch Süddeutschland machte, weil es die red— 
selige Gesinnungstüchtigkeit der Zeit so gar unschuldig wiedergab: 
Laßt uns öffentlich besprechen 
Voller Männermut 
Unsre Leiden und Gebrechen, 
So wie Er es tut! 
Vaterland, freue dich! 
Deine Nacht wird immer heller. 
Itzstein unser Stern 
Leuchtet nah und fern! 
Bei dem Jubelfeste der badischen Verfassung 1843 beging die Regierung 
die unbegreifliche Torheit, sich aller amtlichen Teilnahme zu enthalten, 
und die Feier gestaltete sich zu einem lärmenden Triumphe der Opposition. 
Vater Itzstein verteilte seine Festredner über alle Städte des Landes; er 
selbst ging nach Griesbach, wo vor fünfundzwanzig Jahren das Grund— 
gesetz unterschrieben worden war, und die Bauern begrüßten ihn überall 
festlich als den Schirmherrn des Landesrechts. Alle die Weihereden, die 
nachher Mathy in einem umfänglichen Bande gesammelt herausgab, alle 
die Hochrufe auf die geliebte Verfassung klangen wie ein drohendes 
Schlachtgeschrei gegen Blittersdorff. 
Zu allem Unheil wurde der politische Streit auch noch durch einen 
widerwärtigen Hofskandal vergiftet. Der berüchtigte karlistische Agent Moritz 
v. Haber, ein verlorener Sohn des Hofbankhauses Salomon Haber, war 
kürzlich heimgekehrt, nachdem er sich lange im Auslande, bald als Jude 
bald als Katholik bald als Protestant umhergetrieben, und hatte zum all— 
gemeinen Erstaunen rasch das Vertrauen der stolzen, geistvollen Groß- 
herzogin Sophie gewonnen; er half ihr die zerrütteten Vermögensverhält- 
nisse ihres unglücklichen Bruders, des Prinzen von Wasa zu ordnen. Er 
stand in Verbindung mit dem Hause Rothschild und mit Benazet, dem 
verrufenen Pächter der Spielbank von Baden-Baden; auch mit Blitters- 
dorff verkehrte er vertraulich, da der Minister gewagte Geldgeschäfte liebte. 
Der Großherzog aber und seine Brüder betrachteten den verschmitzten 
Abenteurer mit erklärlichem Mißtrauen; das Zerwürfnis am Hofe ward 
bald offenkundig, die klatschsüchtige Residenz erzählte sich Wunder von 
Habers Verworfenheit und seinen reaktionären Plänen. Man nannte 
ihn die Geißel des Landes. Die Gesellschaft in Baden-Baden schloß ihn 
von ihren Festlichkeiten aus, und als Haber deshalb einen Leutnant v. Göler 
forderte, entschied das Ehrengericht, mit einem solchen Manne könne ein 
Offizier sich nicht schlagen. Da trat ein vornehmer Russe für Haber ein, 
und in dem Duelle, das nun folgte, fanden Göler und sein russischer 
Gegner beide den Tod. Diese Nachricht entflammte die Wut des Volkes,
	        
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