Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

342 V. 4. Die Parteiung in der Kirche. 
Schwurgerichte belehren konnte. So erwachte plötzlich der politische Sinn 
in dem vordem so stillen Lande. Inzwischen verstärkte sich die Opposition 
durch neue Wahlen; Schaffrath, Joseph und einige andere Radikale er— 
schienen im Landtage, noch eine kleine Schar, maßlos in den Grund— 
sätzen, formlos im Auftreten. Selbst die allzeit getreue freie Bergstadt 
Freiberg begann zu grollen, als zwischen den Bergstudenten und der 
Garnison Zwistigkeiten entstanden, die durch rechtzeitige Strenge der Be- 
hörden leicht beigelegt werden konnten,) und die Regierung dann, nach 
einem unglücklichen Duell, volle zwei Drittel der Studentenschaft rele- 
gierte; das Land war eine Zeitlang nahe daran, seinen Stolz, die be- 
rühmte Bergakademie ganz zu verlieren. 
Und nun bewährte sich wieder, wie noch in allen unruhigen Zeiten der 
neueren sächsischen Geschichte, der alte Fluch des albertinischen Hauses: 
selber schuldlos mußten die Nachkommen noch immer unter dem unseligen 
Glaubenswechsel Augusts des Starken leiden. In dem wohlwollenden 
Charakter des Königs lag gar kein Zug konfessioneller Engherzigkeit, und 
im Vatikan kannte man den hartprotestantischen Boden Kursachsens zu 
gut, um die Hebel gerade hier einzusetzen. Trotzdem fühlte sich das Volk 
schwer beunruhigt durch den Übermut, den die ultramontane Partei 
im benachbarten Preußen und Bayern zur Schau trug; man glaubte 
allgemein, auch in Sachsen trieben die Klerikalen ihr Wesen, und bald 
hieß es, die Jesuiten seien im Lande. Ernsthafte Beschwerden lagen nicht 
vor. Die Erzbrüderschaft vom Herzen Jesu hatte in einer Ortschaft der 
Lausitz eine kleine Niederlassung gegründet, aber ohne Vorwissen der Re- 
gierung; dann fand man in der neuen katholischen Kirche zu Annaberg 
am Hochaltar den Namen des heiligen Ignatius und schloß daraus, ganz 
willkürlich, diese Kirche gehöre der Gesellschaft Jesu. Das war nahezu 
alles. Doch das Mißtrauen im Volke ließ sich nicht beschwichtigen und 
wendete sich mit unbegreiflicher Verblendung gegen den Prinzen Johann, 
der allerdings ein strengerer Katholik war als sein königlicher Bruder, aber 
in allen kirchenpolitischen Fragen stets eine untadelhafte Mäßigung ge- 
zeigt und soeben erst durchgesetzt hatte, daß die Kniebeugung der pro- 
testantischen Soldaten in der Dresdener Hofkirche abgestellt wurde. Der 
schändlich verleumdete Prinz sollte durchaus ein Jesuit sein, das glaubte 
jedermann bis zu den Schulkindern herunter, und jedermann nahm 
es für ein Zeichen des göttlichen Zornes wider den katholischen Hof, daß 
bei dem schweren Eisgange des Frühjahres 1845 das große goldene 
Kruzifix auf der Dresdener Brücke, für immer unauffindbar, in den Wellen 
versank. 
Nur diese krankhafte Jesuitenfurcht und die politische Verstimmung 
des Landes bewirkten, daß in dem kleinen Häuflein der sächsischen Katho- 
  
*) Jordans Bericht 19. Febr. 1845.
	        
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