28 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung.
großen Königs entscheidend, auf seine philosophische ÜUberzeugung mit-
bestimmend eingewirkt, der preußischen Politik wurde er unnachsichtlich
immer fern gehalten. Humboldt konnte auf die längst fertige Weltan-
schauung seines königlichen Freundes schon darum keinen Einfluß ge-
winnen, weil er halb unter, halb über ihr stand. Dem Jünger der alten
Aufklärung, der schon in seinen jungen Tagen den preußischen Beamten
zu Baireuth für einen Jakobiner gegolten hatte, fehlte jedes Verständnis
für das neue religiöse Leben, das den Deutschen tagte und von dem
Könige so freudig begrüßt wurde; andererseits würdigte er weit unbe-
fangener als Friedrich Wilhelm die liberalen Ideen des emporsteigenden
Mittelstandes. Also fast in allem verschieden fanden sich die beiden nur
zusammen in der leidenschaftlichen Freude des Forschens und Erkennens.
Humboldt fühlte bald heraus, daß dieser König kein Mann des Handelns
sei und das Glück, dessen er doch bedurfte, niemals finden würde; darum
beschied er sich, auf dem einzigen Gebiete der Politik, das ihm offen blieb,
Segen zu stiften, die mäcenatischen Neigungen des Königs zu nähren,
alle aufstrebenden Kräfte deutscher Kunst und Wissenschaft wirksamer zu
fördern, als es unter dem sparsamen, schwer zugänglichen alten Herrn
möglich gewesen. Mit ungewöhnlicher Offenheit sprach er sich darüber ein-
mal gegen Bunsen aus: „Ich habe die Schwachheit zu wollen, daß die,
deren Talent ich früh erkannt und verehrt habe, etwas Großes hervor-
bringen. Dadurch hält man sich gegenseitig in der Welt und trägt dazu
bei, die Achtung vor geistigen Bestrebungen wie ein heiliges Feuer zu
nähren und zu bewahren.“
Er wollte der anerkannte Fürst sein im Reiche des Wissens, aber
diese Macht auch in großem Sinne gebrauchen, um das perikleische Staats-
ideal zu verwirklichen, das ihm so hoch stand wie seinem Bruder Wilhelm;
ohne die Pflege des Wahren und des Schönen war ihm selbst der stark-
gerüstete und wohlgeordnete Staat wertlos. An allem, was Friedrich
Wilhelm für die Wissenschaft tat, hatte Humboldt seinen reichen Anteil.
Das alte Familienhaus in der Oranienburger Straße ward ein Wall-
fahrtsort für alle jungen Talente. Dort fanden Hermann Helmholtz und
manche andere vielverheißende Anfänger Rat und Hilfe. Dort saß der
kleine Greis unter Türmen von Büchern, Karten, Briefen und Sen-
dungen jeder Art, die ihm aus allen Teilen der Erde zuflogen — ihm
gegenüber auf der grünen Wand die große Weltkarte — und schrieb die
langen Nächte hindurch, über sein Knie gebückt, bald an seinem Kosmos,
bald Entwürfe für wissenschaftliche Anstalten oder auch ungezählte Empfeh-
lungsbriefe; es war, als ob alle Fäden aus dem unermeßlichen Reiche der
Forschung in der Hand des alten Zauberers zusammenliefen. Der König
überschüttete ihn mit Ehren und Geschenken, ohne doch hindern zu können,
daß der aller Wirtschaft Unkundige schließlich der Schuldknecht seines
eigenen Hausdieners wurde. In den Briefen an seinen teuersten Alexan-