Braunschweigs Austritt aus dem Steuervereine. 443
tunlich gemacht haben.“ Daraufhin erbat er sich die Aufnahme seines
Herzogtums in den Zollverein.“)
Der preußische Hof fühlte sich nicht berufen, den Sittenrichter zu
spielen in diesem unerquicklichen Zwiste des Welfenhauses. Er befand sich
vielmehr in der tragikomischen Lage, daß er das unwillkommene Anerbieten
seines so rasch bekehrten neuen Freundes nicht von der Hand weisen
durfte. Das braunschweigische Ländchen allein mit seinen verfitzten Gren-
zen war durchaus kein Gewinn für den Zollverein. Minister Alvens-
leben äußerte sich darüber zu dem hannoverschen Gesandten General
Berger mit einer freundschaftlichen Offenheit, die der alte Soldat dankbar
anerkannte, und bemühte sich sogar, die beiden Welfenhöfe miteinander zu
versöhnen.) Vergeblich. Der erboste Braunschweiger erklärte: wenn
man ihn nicht in den Zollverein aufnehme, dann bleibe er allein. Also
drohte mitten im Zollvereine nochmals ein großes Nest des Schleichhan-
dels zu entstehen, die Krämer in den kleinen Harzstädten sprachen schon
frohlockend von der Wiederkehr der alten goldenen Zeit des Schmuggels.
Diese Befürchtung zwang die Minister, dem Könige die Aufnahme Braun-
schweigs zu empfehlen, aber unter der Voraussetzung, daß Hannover, „das
wic Braunschweig dem Anschluß an den Zollverein entgegenreife“, sich min-
destens zu Verhandlungen bereit erkläre.*) Hannover gab diese vorläufige
Zusage, alle Staaten des Zollvereins stimmten freudig bei, alle erwarteten,
die Kugel komme endlich ins Rollen. In der Tat schien es möglich, daß der
Zollverein jetzt mit einem Male bis zu den Mündungen der Elbe, Weser
und Ems vordrang und danach auch die Hansestädte zum Beitritt bewog.
Das braunschweigische Land erstreckte sich nämlich in einem schmalen
Streifen weit nach Westen, vom Harze bis zur Weser; trat also das ge-
samte Herzogtum dem Zollvereine bei, dann wurden die Landschaften
Göttingen und Grubenhagen, die man in Hannover mit dem erhabenen
Namen der südlichen Provinzen schmückte, von der Hauptmasse des Welfen-
Königreichs abgeschnitten, und der ohnehin lockere Steuerverein zerstückelt.
Doch was fragte der alte Welfe nach der Volkswirtschaft? König
Ernst August verfuhr bei diesen Verhandlungen von Haus aus unredlich:
er knüpfte sie nur darum an, weil er hoffte, sich noch freien Verkehr mit
seinen südlichen Provinzen zu sichern. Seinem Gesandten Kielmansegge
in London schrieb er eigenhändig: ich bin gegen den Zollverein und werde
selbst im äußersten Falle immer vermeiden, Englands Interessen zu schä-
digen, „was man einem englischen Prinzen nicht übel nehmen kann“.
Bei seinen wiederholten Besuchen in England versicherte er den Ministern
*7) Berichte von Canitz, Hannover 2. April 1841, Wien 4. März 1844. Schreiben
des braunschw. Staatsministeriums an das preußische Min. d. A. A., 28. März 1841.
**) Bergers Berichte, 4. 7. 30. April 1841.
* 7) Werthers Bericht an den König, 8. April, Kabinettsordre an Werther und Alvens-
leben, 21. April 1841.