Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Hannover und die Hansestädte. 445 
handel als ihre wichtigste Erwerbsquelle, sie hatten ihre Vaterstadt zu 
einem großen freien Markte für alle skandinavischen Völker erhoben, und 
wollten nicht sehen, daß ihnen jetzt eine noch reichere Zukunft offen stand, 
wenn sie mit der neuerdings so mächtig angewachsenen Industrie des 
Hinterlandes in freien Verkehr traten; ihr nordischer Zwischenhandel 
konnte ja daneben, in einem wohlgeordneten Freihafen, ungestört fort— 
dauern. Eigensinnig wie vormals die Kaufleute von Leipzig und Frank— 
furt sträubten sie sich wider ihr eigenes Glück, ganz wie jene rühmten 
sie die Trennung vom Vaterlande als Handelsfreiheit und verachteten 
das weiter blickende preußische Beamtentum. Ihre Schriftsteller — nicht 
bloß die blinden Partikularisten des Hamburger Korrespondenten, sondern 
auch der gelehrte Patriot Wurm — hatten für die Idee der praktischen 
deutschen Einheit nur leere Worte. Wenn sie zuweilen sehnsuchtsvoll von 
der Zolleinigung des Vaterlandes sprachen, dann fügten sie stets den un— 
möglichen Vorbehalt hinzu: erst müsse Österreich beitreten; und wenn sie 
Preußens Bemühungen um die Einheit der Münzen und Maße herab— 
lassend lobten, dann fiel es ihnen doch gar nicht ein, daß Hamburg mit 
gutem Beispiele vorangehen, sein lächerliches zweifaches Münzwesen mit 
der erprobten Talerwährung vertauschen sollte. Es war nicht anders, die 
große Mehrheit des Volks an der Nordseeküste wollte ihr Sonderleben nicht 
aufgeben. Klefeker in Hamburg, Berg in Oldenburg, v. d. Horst in Han— 
nover und die wenigen anderen einsichtigen Publizisten, die zum Anschluß 
mahnten, richteten nichts aus gegen das allgemeine Vorurteil. 
König Friedrich Wilhelm hielt in diesen Jahren Hannover und Kur— 
hessen für die beiden nächsten Freunde Preußens im Deutschen Bunde, 
denn von Bayern her wurde seine Regierung heftig befehdet, und den 
übrigen Mittelstaaten traute er wenig Widerstandskraft gegen die Libe— 
ralen zu. Darum behandelte er seinen welfischen Oheim mit zarter 
Schonung und setzte sogar bei den widerstrebenden Braunschweigern durch, 
daß jener Harz- und Weserkreis, der das Welfenkönigreich durchschnitt, 
vorläufig noch zwei Jahre lang im Steuervereine verblieb, damit der 
hannoversche Hof Zeit gewönne, sich auf den Zollanschluß vorzubereiten. 
Die Hannoveraner zeigten sich für solche Freundlichkeit wenig dankbar; 
sie ließen viele Monate verstreichen, bis sie nach wiederholten Mahnungen 
die zugesagten Verhandlungen endlich begannen, und dann stellten sie 
alsbald zwei gleich unannehmbare Bedingungen. Sie verlangten, daß der 
Zollverein seine Zölle auf mehrere der einträglichsten Kolonialwaren be— 
trächtlich herabsetzte und außerdem noch dem Königreiche ein Präzipuum 
gewährte, einen erhöhten Anteil an den gemeinsamen Einnahmen, zur 
Entschädigung für die angeblich größere Konsumtion im Welfenlande. 
Den 2 Millionen Deutschen des Steuervereins zulieb' sollten also die 
28 Millionen des Zollvereins sich ihre ergiebigsten Finanzzölle verderben. 
Die zweite Forderung aber verstieß gegen den Grundgedanken des Zoll-
	        
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