Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

484 V. 6. Wachstum und Siechtum der Volkswirtschaft. 
Parteien das Verlangen nach nationaler Macht so stürmisch aus, daß 
sogar die selbstgenügsamen Hansen nicht umhin konnten, ihre patriotische 
Gesinnung irgendwie zu betätigen. Schon im Jahre 1841 entwarf 
Bürgermeister Smidt von Bremen den Plan eines deutschen Schiffahrts- 
bundes, der allen deutschen und österreichischen Schiffen, dem Auslande 
gegenüber, eine gemeinsame Heimat (country) sichern sollte. Smidt 
legte seine Entwürfe dem preußischen Hofe und dem Fürsten Metternich 
persönlich vor. Um sie zu verteidigen, bereiste sodann der hamburgische 
Bundesgesandte Karl Sieveking die deutschen Hauptstädte, ein treuer Patriot 
von hoher Bildung und ernster Frömmigkeit, der, mit Neander und Gene- 
ral Gerlach nahe befreundet, als Mitbegründer des Rauhen Hauses allen 
Kirchlichgesinnten teuer war. 
Leider bewies Smidts Denkschrift nur, wie doktrinär auch ein kluger 
Staatsmann künsteln kann, sobald er sich scheut, das Notwendige zu wollen. 
Daß der Bundestag die nationale Schiffahrt nicht zu beschützen vermochte, 
stand längst außer allem Zweifel; ward aber neben dem Deutschen Bunde 
und neben dem Zollvereine noch ein Schiffahrtsbund errichtet, so ver- 
wirrte sich die deutsche Politik, die dem Auslande jetzt schon kaum ver- 
ständlich war, bis zum Unerträglichen. Und war es nicht eine naive 
Zumutung, daß der Zollverein, der mit der einzigen Ausnahme Preußens 
nur aus Binnenstaaten bestand, durch seine Gesamtmacht der han- 
sischen Schiffahrt Begünstigungen verschaffen sollte — ohne jede handels- 
politische Gegenleistung? Nun gar der Vorschlag, auch Österreich in den 
Schiffahrtsbund aufzunehmen, erschien fast wie eine Bedrohung des Zoll- 
vereins selbst. Kurz und schlagend bemerkte Canitz: das einfache Mittel 
zur Begründung des Schiffahrtsbundes wäre der Eintritt der Hanse- 
städte in den Zollverein; aber dieser Unannehmlichkeit will man entgehen!?) 
Auch das preußische Auswärtige Amt wollte sich auf nichts einlassen, da 
Bülow noch auf den Anschluß der Nordseeküste hoffte; überdies, schrieb 
der Minister (28. März 1843), hat Preußen schon durchgesetzt, daß Eng- 
land die Vorhäfen im wesentlichen wie die Zollvereinshäfen behandelt, 
„es ist hierdurch ein Teil gewonnen (und wir glauben so viel als das 
Bedürfnis erfordert) von demjenigen, was der vorgeschlagene deutsche 
Schiffahrtsbund bezweckt.““*) 
Einige Jahre nachher (1845) nahm Rönne, der in immer neuen 
Entwürfen schwelgte, den also gescheiterten Plan wieder auf und verband 
damit den Vorschlag eines Differenzialzoll-Systems, wie es Arnim in seinem 
Testamente empfohlen hatte. Eine Denkschrift des preußischen Handels- 
amts verlangte, daß die deutschen Küstenstaaten zu einem Schiffahrts- 
bunde zusammenträten, um die deutsche Schiffahrt zu begünstigen, das 
  
*) Canitzs Berichte, März 1843. 
*“) Bülow, Weisung an Canitz, 28. März 1843.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.