Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Deutscher Schiffahrtsbund. 485 
Ausland durch kräftige Retorsionen zur Milderung seiner Schiffahrts— 
gesetze zu nötigen und also die allgemeine Handelsfreiheit vorzubereiten. 
Freudig ging König Friedrich Wilhelm auf Rönnes Vorschläge ein; sein 
allezeit begeisterter Bunsen meinte schon, dieser Schiffahrtsbund würde die 
Briten zur Aufhebung der Navigations-Akte zwingen.) Inden Hansestädten 
vertrat der Bremische Senator Duckwitz die patriotischen Gedanken mit 
schönem Eifer; auch durch eine veröffentlichte Denkschrift verteidigte er 
Rönnes Pläne. Obgleich er selbst weiter blickte als seine Mitbürger, so 
konnte er sich doch nicht verbergen, daß die Hansen dem Zollvereine so 
bald nicht beitreten würden, und schrieb also an List beschwichtigend: 
die Schiffahrtssache sei viel wichtiger als „der elende Hader über Zoll- 
anschluß“. Auf diesen elenden Zollanschluß kam aber schlechterdings alles 
an; denn solange die Nordseeküste sich der nationalen Zollgemeinschaft 
versagte, schwebte der Schiffahrtsbund in der Luft. Mit vollem Rechte 
erwiderten Kühne, Beuth und die anderen erfahrenen Geschäftsmänner 
des Finanzministeriums: ein solcher Bund könnte höchstens die deutschen 
Schiffe einander gleichstellen, nicht aber ihre Ladungen, und dies sei doch 
das Wesentliche. Zudem hatte der Zollverein bisher alle Unterscheidungs- 
zölle verschmäht; der Gefahr feindseliger Retorsionen, welche ein Diffe- 
renzialzoll--System immer in sich birgt, konnte er sich doch nur aussetzen, 
wenn die Vorhäfen ihm wirklich gehorchten. 
Trotz dieser augenfälligen Bedenken verfolgte Rönne seine Pläne weiter; 
der Zwiespalt in der Leitung der preußischen Handelspolitik zeigte sich grell. 
Im Jahre 1847 verhandelte Geh. Rat v. Patow deshalb zu Bremen mit 
Duckwitz und jenem Hannoveraner Witte, den man erst kürzlich wegen grober 
Feindseligkeit aus Berlin hatte ausweisen müssen. Er versicherte mit warmen 
Worten, sein König wünschte durch den Schiffahrtsbund „das Prinzip 
der deutschen Einheit “ zu sichern. Doch mit löblicher Gesinnung allein 
ließ sich die harte Geschäftssache nicht bewältigen, schließlich scheiterte alles 
an dem entschiedenen Widerspruche Hamburgs. Die Senatoren Kirchen- 
pauer und Geffcken entwarfen eine gründliche Denkschrift über „das Diffe- 
renzialzoll-System“, die alsbald gedruckt und von der Freihandelspartei mit 
Jubel begrüßt wurde. Siegreich in der Kritik, wies sie nach, daß Ham- 
burgs Zwischenhandel, wie er war, Unterscheidungszölle in der Tat nicht 
ertragen konnte. Irgend einen Gegenvorschlag zum Schutze der deutschen 
Schiffahrt boten die Hamburger freilich nicht, denn nach ihrer Meinung 
war die schimpfliche Anarchie an unserer Nordseeküste ein beneidenswerter 
Zustand des „Freihandels“; und frohlockend verkündete Prince Smith im 
Berliner Freihandelsvereine, daß wieder einmal nichts zu stande ge- 
kommen war. 
Mittlerweile hatte die preußische Regierung in London sehr nachdrück- 
  
*) Bunsens Berichte, 31. Juli 1846, 11. Aug. 1847 ff.
	        
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