Verurteilung der Posener Aufständischen. 563
lungen, die bis zum 17. Nov. währten, gänzlich. Das eintönige Schauspiel
halsstarriger dummdreister Verneinung und gründlicher Überführung
mußte deutsche Zuhörer zuletzt anwidern. Persönliche Teilnahme erregten
nur Dr. Libelt, ein gescheiter, bleicher, kleiner Mann, den die Polen ihren
Patriarchen nannten, und der feurige junge Niegolewski; sonst zeigten
alle die gleiche flache Leichtfertigkeit. Bei manchen, die schon von dem
alten Könige Begnadigung erbettelt und erhalten hatten, erschien die Un-
treue schlechthin ekelhaft. Der Sachverhalt stellte sich klar heraus: un-
zweifelhaft hatte eine weitverzweigte, ganz törichte, aber auch ganz ge-
wissenlose Verschwörung den Plan verfolgt, Posen und Westpreußen von
der Monarchie loszureißen. Der Präsident Koch und die übrigen Richter
bewahrten eine ruhige Würde, die sich von dem leidenschaftlichen Tone
der politischen Prozesse Frankreichs auffällig unterschied. Auch die Staats-
anwaltschaft wurde durch den liberalen Geh. Rat Wentzel sehr stattlich
vertreten. Unter den Verteidigern zeichnete sich Anwalt Deycks durch
seine maßlose Sprache aus, er sagte geradezu, der preußische Staat hätte
die Verbrecher wie das Verbrechen erst geschaffen. Ruhiger redeten An-
walt Lewald, ein erklärter Gegner der „Germanisierungspolitik“, und der
kluge Crelinger aus dem Jacobyschen Freundeskreise; sie alle suchten zu
beweisen, daß die Polen nur dem Beispiele der Preußen selbst gefolgt seien,
denn dank der liberalen Mythenbildung war die Tatsache schon halb
vergessen, daß der deutsche Befreiungskrieg nicht ein Aufstand, sondern ein
regelmäßiger Krieg gewesen war. Am 2. Dez. verkündete der Gerichtshof
das Urteil. Er gab den Vorschriften des Allgemeinen Landrechts eine sehr
milde, durchaus nicht unbestreitbare Auslegung und wollte keinen Hoch-
verrat annehmen, weil die gewaltsame Abreißung einiger Landesteile doch
nicht geradehin als Umwälzung der Staatsverfassung zu betrachten sei;
darum erkannte er nur auf schweren Landesverrat. Acht der Angeklagten
wurden zum Tode, 109 zu Zuchthaus= und Festungsstrafen verurteilt,
116 wegen mangelhafter Beweise von der Untersuchung entbunden und
nur 18 gänzlich freigesprochen.
Wenn der König jetzt der Gerechtigkeit freien Lauf und mindestens
dem frivolen Führer der Rebellen den Kopf vor die Füße legen ließ, so
konnte er dem Lande Posen vielleicht Ströme unschuldigen Blutes ersparen.
Mieroslawski selbst erwartete auch nichts anderes. Er bat nicht um Gnade,
wie man bei Hofe hoffte, sondern sagte rund heraus: der König muß mich
hinrichten lassen, ich habe mich zu schwer gegen ihn vergangen; läßt man
uns frei, so fangen wir wieder an, ich wenigstens ganz gewiß! Zu solcher
Strenge wollte der weichherzige Monarch sich nicht entschließen; er ahnte
auch nicht, wie es in Posen stand, er wußte nicht, daß die durch die un-
blutige Niederlage keineswegs entmutigten Polen sich die Hände rieben
und zuversichtlich sagten: Blut läßt der gute König doch nicht fließen!
Die Verurteilten blieben vorläufig in Haft, und schon nach wenigen
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