568 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
mann einen Arm anschmieden konnte. Während Preußen den Eintritt
Schleswigholsteins in den Zollverein wünschte und deshalb mehrmals
vertraulich anfragte, dachte Christian vielmehr die uralte Zollgrenze
zwischen Jütland und den Herzogtümern aufzuheben, um also die wirt—
schaftliche Einheit seines Gesamtstaats zu begründen; doch auch dieser
Versuch gelangte nicht über Vorarbeiten hinaus. Ebenso wurde die ge—
plante Errichtung einer gemeinsamen obersten Kirchen- und Schulbehörde
bald wieder aufgegeben, weil die Deutschen widerstrebten.
Wie wenig kannte der König seine Dänen, wenn er sie durch solches
Tasten zu befriedigen wähnte. Gleich der Windsbraut raste die entfesselte
nationale Leidenschaft über das Inselreich dahin. Es war, als ob das
stolze, von seiner alten Macht schon so tief herabgesunkene kleine Volk
den nahen letzten Sturz ahnte und sich mit krampfhafter Anstrengung auf
der Höhe zu halten suchte. Wunderbar, wie diese im bürgerlichen Leben
so achtbare dänische Nation jetzt in ihrem wilden Deutschenhasse alle
Scham, allen Anstand verleugnete: als die Holsten (1840) ihren Volks—
helden Gerhard den Großen, ein halb Jahrtausend nach seinem Tode, durch
ein Standbild ehren wollten, da trat in Dänemark ein Verein zu—
sammen, der alles Ernstes vorschlug, dem Mörder Gerhards dem Dänen
Niels Ebbesen in Randers ein Denkmal zu setzen. Die junge Partei der
Eiderdänen verbreitete sich bald über das ganze Land. Ein Dänemark von
der Eider bis zum Sund, einig in Sprache, Sitte, Recht — so hieß die
Losung. An Holstein wollten sich die Eiferer vorerst noch nicht heranwagen,
weil sie den Widerspruch des deutschen Bundes fürchteten; vielleicht daß
späterhin auch dies deutsche Land noch in den erstarkten dänischen Einheits—
staat eintreten konnte. Schleswig aber sollte sofort einverleibt, gänzlich da—
nisiert und als „Morgengabe“ Gammel Dannemarks dem Bunde der drei
Kronen Skandinaviens dargebracht werden. Der alte Gedanke der Kal—
marischen Union, der doch immer wieder an dem starken Nationalhasse der
drei „Brudervölker“, an der Eifersucht ihrer Hauptstädte gescheitert war,
erwachte aufs neue; mancher der jungen Schwärmer dachte insgeheim,
das Haus Bernadotte des volksbeliebten, liberalen Königs Oskar von
Schweden würde die Oberherrschaft in der skandinavischen Union erlangen.
In dem Entschlusse, das Deutschtum Schleswigs auszurotten, die
Verbindung der beiden deutschen Herzogtümer zu zerreißen, war die ganze
Partei einig; und drohend rief Orla Lehmann: „Wir sind bereit, unser
altes Dänemark sowohl gegen das hochverräterische Geschrei der Nord-
albingier als gegen die seekranke Eroberungslust aller deutschen Vogel-
fänger zu verteidigen. Und sollte es nötig sein, so wollen wir mit dem
Schwerte den blutigen Beweis auf ihren Rücken schreiben: Dänemark will
nicht!“ Aus Lehmanns Worten sprach die wilde Wut des Renegaten;
er selbst war ein Schleswiger, der Sohn eines angesehenen schleswigholstei-
nischen Beamten. Doch um ihn scharte sich bald alles, was Dänemarks