580 V. 7. Polen und Schleswigholstein.
hatte, und zeigte hier zum ersten Male öffentlich, wie viel bildsamer er
war als die anderen Vertrauten König Friedrich Wilhelms. Unter allen
namhaften deutschen Rechtsgelehrten wagte nur einer den Dänenkönig
zu verteidigen: Minister Kamptz, der alte Demagogenverfolger, dessen
Name schon abschreckend wirken mußte. Der entfaltete in seinen „Be—
merkungen über den Offenen Brief“ eine reiche, aber ganz verworrene
Gelehrsamkeit; die Schleswigholsteiner erklärte er kurzweg für Rebellen,
und daß Schleswig die Deutschen gar nichts anging, ergab sich ja schon
aus der Bundesakte.
Nach diesem Juristenstreit und den alten Pergamenten fragte die
Nation wenig, sie kannte die Augustenburger gar nicht. Was die Deutschen
entflammte, war das nationale Selbstgefühl. Geibel fand wieder das
rechte Wort, als er den hohen Sinn des Kampfes dahin zusammenfaßte:
Wir wollen keine Dänen sein,
Wir wollen Deutsche bleiben.
Und dies Gefühl bekundete sich in den leidenschaftlichen Beratungen der
kleinen deutschen Landtage so übermächtig, daß selbst die Fürsten sich ihm
nicht ganz entziehen konnten; ihr eigenes Heiligtum, das legitime Dynasten-
recht wurde ja durch Dänemarks Gewaltstreiche nicht weniger bedroht als
die nationale Ehre. Zudem reisten die holsteinischen Prinzen an den
Höfen geschäftig umher; auch die Stände der Herzogtümer sendeten Tiede-
mann und andere Vertrauensmänner zu den kleinen Regierungen, um
ihnen das Landesrecht der Nordmark ans Herz zu legen. Besonders
freundlich zeigte sich, seltsam genug, der alte Welfe. Der hatte bei den
Lüneburger Manövern des zehnten Bundesarmeekorps selbst mit angehört,
wie die holsteinischen Soldaten, wenn man sie Dänen nannte, heftig er-
widerten: wir sind gute Deutsche; er schätzte den Augustenburger persönlich
hoch und wurde durch seinen Berliner Gesandten, den Grafen Platen,
dessen Verwandtschaft dem holsteinischen Adel angehörte, in seiner guten
Gesinnung bestärkt.') Nach alledem schien den Beschwerden beim Bun-
destage ein günstiger Erfolg sicher zu sein.
Ganz anders dachten die großen Mächte. Sie bekannten sich alle
zu dem unverbrüchlichen Glaubenssatze, die Integrität der dänischen Mon-
archie sei notwendig für die Erhaltung des europäischen Gleichgewichts.
Unschuldige Leute mochten wohl verwundert fragen: warum denn Europas
Gleichgewicht erschüttert werden sollte, wenn der kleine Staat am Sund
und Belt von drittehalb auf anderthalb Millionen herabsänke? Wer tiefer
blickte, konnte jedoch nicht verkennen, daß die Meinung der großen Höfe
ernste Gründe hatte; sie wurzelte nicht bloß in der Ruheseligkeit der Zeit,
sondern in der allgemeinen Angst vor Deutschlands Erstarken. Das von
Dänemark losgerissene Schleswigholstein mußte — niemand bezweifelte
*) Platens Berichte, 6. Juli 1847 ff.