Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

52 V. 1. Die frohen Tage der Erwartung. 
Königsberger Rede des Posener Landtagsmarschalls, weil sie die Polen in 
Warschau und Lemberg aufwiegeln müsse. Der greise Erzherzog Karl 
hingegen sagte zu Maltzan hocherfreut: die Reden des Königs haben den 
öffentlichen Geist geweckt, „ich erhoffe davon das gemeinschaftliche Wohl 
des deutschen Vaterlandes.“*) Welch ein Abstand doch zwischen diesem fest- 
gewurzelten deutschen Königtum und der Monarchie der Juli-Revolu- 
tion! An dem nämlichen Tage, da dem preußischen Könige das jauch- 
zende Ja seiner Getreuen entgegenscholl, richtete in Paris ein Mordge- 
selle — es war seit zehn Jahren der fünfte — die tödliche Waffe gegen 
Ludwig Philipp. Und war es nicht auch ein Triumph für die Sache 
des Königtums, daß sie einen so glänzenden persönlichen Vertreter fand? 
Bisher hatten die Liberalen sich im alleinigen Besitze der Bildung und 
der Beredsamkeit gewähnt, da die trockenen Geschäftsmänner der kleinen 
Regierungen als Redner gegen die Wortführer der Opposition nur 
selten aufkamen. Jetzt trat ein gekröntes Haupt auf, das durch den Adel 
seiner Rede und die Fülle seiner Bildung den Liberalismus ganz zu ver- 
dunkeln schien. Die strengen Hallerianer frohlockten über die so plötz- 
lich wieder erstarkte Macht des Königtums von Gottes Gnaden. Nun 
endlich, rief das Berliner Wochenblatt, wird dem revolutionären Reprä- 
sentativsystem des Auslands etwas Positives entgegengestellt, der Patri- 
monialstaat: „Derjenige müßte den Irrlehren der neuzeitlichen Staatslehre 
bis zum Stumpfsinn verfallen sein, wer ein dürftiges Schreibwerk, was 
die Fürsten und Völker einander mißtrauisch gegenübergestellt, diesen im 
Angesicht Gottes und der Menschen übernommenen Verpflichtungen vor- 
ziehen wollte.“ 
Aber nach den unmäßigen Ubertreibungen der Huldigungstage 
mußte in einem verständigen Volke sehr bald der Rückschlag eintreten. 
Die Ernüchterung zeigte sich zuerst in den Kreisen der strammen Mon- 
archisten. Sie empfanden die überschwengliche Verherrlichung des Sohnes 
als eine Undankbarkeit gegen den Vater, und man bemerkte bald, wie 
nachdrücklich der Prinz von Preußen in seinen Anreden an die Offiziere 
immer wieder die unvergeßlichen Verdienste des verstorbenen Königs 
hervorhob.*) Eben diesen Männern, die mit ihren Schwüren kein Spiel 
treiben wollten, drängte sich unabweisbar die Frage auf: was es denn 
eigentlich bedeuten sollte, daß der neue König außer dem Huldigungs- 
eide, der ihm von Rechts wegen gebührte, noch ein zweites Versprechen 
gefordert hatte? Wer in solcher Weise ein freies Ja von seinen Unter- 
tanen erbat, der gab ihnen auch das gefährliche Recht, nein zu sagen. 
Und war denn wirklich durch jenes feierliche Ja eine neue, über die all- 
gemeine Untertanenpflicht hinausgehende Verbindlichkeit begründet wor- 
  
*) Maltzans Berichte, Okt. Nov. 1840. 
**) Bergers Bericht, 6. Jan. 1841.
	        
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