Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

Neuer Einspruch des Prinzen von Preußen. 607 
stand, noch immer nicht zum Abschluß. War es Unentschlossenheit, was 
den Monarchen hemmte? oder wollte er sein Volk absichtlich an die ge— 
priesene organische Entwicklung gewöhnen? Genug, erst im März 1846 
ließ er die Immediatkommission mit sämtlichen Staatsministern zu ge— 
meinsamen Sitzungen zusammentreten, und diese Beratungen währten, 
mehrfach unterbrochen, noch dreiviertel Jahre. Sogleich zum Beginn, 
am 11. März, stellte der Prinz als Vorsitzender die Frage, ob eine stän— 
dische Zentralvertretung notwendig sei, und gestand aufrichtig, er selber 
hätte sich von diesem Bedürfnis noch nicht ganz überzeugt. Nachdem so— 
dann alle Anwesenden bis auf zwei die Frage bejaht hatten, sprach er 
am Schlusse dieser entscheidenden Sitzung ebenso offen aus: nunmehr 
wolle er die Notwendigkeit anerkennen. Auch die Bildung eines Ver— 
einigten Landtags, die im vorigen Jahre nur von einem einzigen Minister, 
von Uhden gebilligt worden war, fand jetzt eine Mehrheit von 9 Stim- 
men. Der Prinz und noch sechs andere widersprachen.) Er blieb auch 
fernerhin fast mit allen seinen Anträgen in der Minderheit. Die meisten 
der übrigen Mitglieder unterdrückten ihre schweren Bedenken. Sie betrach- 
teten sich, nach den Uberlieferungen des alten Absolutismus, nicht als selb- 
ständige, verantwortliche Ratgeber, sondern hielten jeden grundsätzlichen 
Widerspruch für aussichtslos, nachdem der Monarch seine Willensmeinung 
ausgesprochen hatte. Am 17. Dez. 1846 waren die Beratungen nahezu 
beendigt, die Entwürfe des Königs im wesentlichen angenommen. 
Do zeigte der Prinz an, daß er dem Monarchen ein Sondergutachten 
einreichen würde. Er hatte im vergangenen Sommer den Petersburger 
Hof wieder besucht und dort Kaiser und Kaiserin aufs äußerste erschreckt 
durch die ruhige Erklärung, daß er die Fortbildung der ständischen In- 
stitutionen für notwendig hielte. ) Aber in den Mitteln, welche sein 
Bruder wählte, konnte er, zu seinem tiefen Schmerze, „nicht das Heil des 
Thrones und des Vaterlandes erblicken“. Noch am 17. Dez. beendete er 
eine umfängliche Denkschrift, welche zunächst nochmals auf die unlenksame 
Schwerfälligkeit einer Versammlung aller acht Provinziallandtage hinwies. 
Zugleich zeigte er scharfsinnig, was noch niemand bemerkt hatte, daß dieser 
Vereinigte Landtag unauflöslich sei; denn da der König allgemeine Wahlen, 
das Fieber der „Urwahlen“, wie man damals sagte, unter allen Umständen 
vermeiden wollte, so konnte er auch einen Vereinigten Landtag, der aus 
der Gesamtheit der acht Provinziallandtage bestand, unmöglich auflösen. 
„Somit stehet diese neue beratende preußische Ständeversammlung weit 
mächtiger da als die konstitutionellen Kammern anderer Staaten, welche 
alle sich für extreme Fälle die Auflösung und Neuwahlen vorbehalten 
haben.“ Darum verlangte der Prinz als starkes Gegengewicht zum mindesten 
*) Hauptbericht des Staatsministeriums und der Immediatkommission, 28. April 
1846. 
*“) Rochows Berichte, 1. 2. Juli, 25. Aug. 1846. 
 
	        
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