Full text: Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert. Fünfter Teil. Bis zur März-Revolution. (28)

644 V. 8. Der Vereinigte Landtag. 
die er sogleich veröffentlichen ließ. ) Nun reiste er nach Ischl zu seiner 
leidenden Gemahlin, darauf nach Triest und Venedig, dann zurück an 
den Rhein. Dort verlebte er wieder einen seligen Tag, als er im stillen 
Waldtale von Altenberg den wiederhergestellten herrlichen Bergischen Dom 
dem Gottesdienste übergab und damit einen alten Herzenswunsch der Na- 
tion, den einst Goethe, Schinkel, Arndt, Harkort und so viele andere aus- 
gezeichnete Männer ausgesprochen hatten, hochherzig erfüllte. 
Derweil der König also seinen Mißmut zu vergessen suchte, emp- 
fanden seine näheren Freunde sehr schmerzlich das Mißlingen des reichs- 
ständischen Unternehmens. Niemand schmerzlicher als der treue Radowitz. 
Der war den Verhandlungen des Landtags mit Spannung gefolgt und 
hatte dann und wann aus der Ferne ein Heft „nicht gehaltener Reden“ 
in die Debatten hineingeworfen. Noch vor dem Schlusse der Tagung 
sah er ein, dies „verstimmte und mißtrauische Geschlecht sei unfähig, das 
Wort seines Königs zu verstehen“, und er schrieb ehrlich (13. Juni): „Ich 
habe mein Leben in historischen Studien zugebracht, aber keinen Regenten 
gefunden, der mit solcher Zusammensetzung des Herzens und Geistes, so 
unbefleckt von dem Unrate der politischen Irrlehre, so ernst und so freudig 
in seinem mühsamen Berufe, einen mächtigen Thron bestiegen hätte. Ew. 
Königl. Majestät wären der Mann Ihres Volks und der deutschen Nation 
geworden ... dann war der Boden fest gegründet, auf welchem das Ge- 
bäude der rechten ständischen Monarchie errichtet werden konnte. Es 
ist nicht geschehen. Sieben Jahre sind verflossen, die nicht wiederkehren. 
Im tiefsten Schmerze sorge ich, daß, weil das Mögliche nicht versucht 
worden, jetzt das Unmögliche unternommen werde.“?7) Er ahnte den Zu- 
sammenbruch, und die Stimmung im Lande ward allerdings bedrohlich. 
Der Landtag selbst ging ziemlich still auseinander. Die Opposition ver- 
sammelte sich noch einmal zu einem Bankett. Da wurden denn Adressen 
der liberalen Schwaben und der gesinnungstüchtigen Danziger verlesen, 
und die 138 Deklaranten gefeiert, die der König zu seinen letzten Hoffesten 
nicht mehr eingeladen hatte; Fürst Lichnowsky verherrlichte mit gellen- 
der Stimme die Eintracht der vier Kurien, Vincke trank auf das Wohl 
der Ostpreußen, die er für die Zukunft doch nicht missen konnte, obwohl 
sie ihn bei den Ausschußwahlen allesamt verlassen hatten. In der Hei- 
mat wurde nur einigen der Abgeordneten ein festlicher Empfang bereitet, 
weil das Volk sich über den gerühmten Rechtsboden dieses Landtags kein 
sicheres Urteil bilden konnte. 
Indessen verrieten viele Anzeichen, wie der innere Unfrieden zunahm. 
In der Presse redeten die enttäuschten Juden täglich frecher. Auf die 
Dankadresse der brandenburgischen Ritterschaft folgte alsbald eine sehr 
  
*) König Friedrich Wilhelm an Thile, Pillnitz, 17. Juli 1847. 
**) Radowitz an König Friedrich Wilhelm, 13. Juni 1847.
	        
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