Neunter Abschnitt.
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Der Uiedergang des Deutschen Gundes.
Die großen Wandlungen der Geschichte kann der Denker wohl aus
ihren Vorbedingungen und Nachwirkungen als notwendig begreifen. Doch
niemals vermag er zu erweisen, warum der Umschwung so und nicht
anders erfolgen, warum im entscheidenden Augenblicke diese und nicht
andere Männer an entscheidender Stelle stehen mußten. Über der Welt
der persönlichen Freiheit, über dem Kommen und Gehen der historischen
Personen walten Gesetze, deren göttliche Vernunft wir zuweilen ahnen,
aber nie ergründen. In Deutschland war die alte fürstliche Selbstherr-
schaft längst zur Vernichtung reif, und der Übergang zu der notwen-
digen neuen Ordnung der Dinge konnte noch immer auf friedlichen.
Wegen erfolgen. Da fügte das Geschick, daß die beiden mächtigsten und
geistvollsten Vertreter der monarchischen Vollgewalt, die beiden Herrscher,
welche im Hochgenusse ihres königlichen Ichs wie trunken schwelgten, eben
zu der Zeit, da eine Versöhnung möglich schien, sich ihrem Volke ent-
fremdeten. Gewiß war es eine furchtbare, eine unausbleibliche Ironie des
Schicksals, daß gerade die zwei ersten Männer des deutschen Fürstenstandes
die Unzulänglichkeit des alten persönlichen Regiments gleichsam am eigenen
Leibe erfahren mußten; die einzelnen Auftritte dieser Tragödie des deut-
schen Absolutismus lassen sich jedoch nur aus persönlichen Erlebnissen
und Empfindungen erklären.
In Preußen hatte der König mit der Einberufung der Vereinigten
Stände eine Bahn beschritten, welche fast unzweifelhaft zur geordneten
ständischen Monarchie zu führen schien; doch ein rätselhafter Eigensinn
verbot ihm, seinen hochsinnigen Zugeständnissen zur rechten Zeit die Ge-
währ zu geben, die ihren Bestand allein sichern konnte; erst als es zu
spät war, versprach er die periodische Einberufung des Landtags. In
Bayern schienen sich zur nämlichen Zeit, um Neujahr 1847 die Verhält-
nisse ebenso hoffnungsvoll zu gestalten. König Ludwig war aus seinen
klerikalen Träumen erwacht. Er hatte während der letzten Monate aus
dem demagogischen Getobe der Ultramontanen gelernt, daß diese Partei