652 V. 9. Der Niedergang des Deutschen Bundes.
So geschah das Argste, was geschehen konnte: der längst schon
in ernstem Nachdenken gereifte Entschluß des Königs, mit dem ultra-
montanen Parteiregimente zu brechen, wurde durch ein gemeines Weib
gefördert und erschien, da er endlich zur Ausführung kam, als ein Werk
unsauberer persönlicher Ränke. Sobald Lolas Parteistellung entschieden
war, brachte die gesamte klerikale Presse Deutschlands, soweit es die
Zensur irgend erlaubte, Tag für Tag Schmutzgeschichten vom Münchener
Hofe; die Radikalen stimmten mit wiehernder Schadenfreude ein, wie
glücklich fühlten sie sich, das Königtum so persönlich entwürdigen zu
können, und bald redete alle Welt, als ob der bayrische Staat ganz aus den
Fugen ginge. Die bayrische Presse freilich mußte unverbrüchlich schweigen.
In Wahrheit lag noch gar keine politische Missetat vor, sondern nur die
phantastische Herzensverirrung eines Fürsten, der nach allem, was er für
Deutschlands Kunst, für den Zollverein, für das bayrische Land getan,
doch gewiß ein menschliches Urteil verlangen durfte und gerade jetzt im
Begriffe stand, sein Volk von einer gehässigen Parteiherrschaft zu befreien.
Eben diese Gewißheit ihres nahen Sturzes erbitterte die Ultramontanen
aufs äußerste. Sie ließen über Lolas tolle Streiche von Aufpassern
genau Buch führen und versuchten noch einmal den König zu warnen
durch den Minister Graf Seinsheim, der als alter Freund mit Ludwigs
früheren Liebeshändeln sehr genau bekannt war. Seinsheim empfing
darauf die scharfe Weisung, sich jeder Einmischung in die Privat-Ange-
legenheiten des Hofes zu enthalten, und seitdem ward die Sprache der
versinkenden Partei mit jedem Tage trotziger.) Im Januar 1847 über-
nahm der Eichstädter Graf Reisach das Münchener Erzbistum. Sein erster
Hirtenbrief war ein Meisterstück pfäffischer Gleisnerei und Herrschsucht;
er mahnte die Gläubigen „euer Prüfstein in allen Dingen sei das Urteil
der Kirche“, und sprach zugleich von den Tagen Max Josephs, von „den
traurigen Zeiten der Zerstörung der Kirche Bayerns“, mit einer berech-
neten Bosheit, welche den König tief verletzte.
Unterdessen konnte die mit Geschenken überhäufte Lola ihre Begehr-
lichkeit nicht mehr bändigen, sie erbat sich von ihrem hohen Beschützer
die Erhebung in den Grafenstand, und er war verblendet genug, ihr diese
Gnade zu versprechen. Wie töricht immer, ungesetzlich war seine Zusage
nicht. Standeserhöhungen gehörten zu den unbestrittenen Prärogativen
der Krone; auch galt der Grafentitel in Bayern nicht gar viel, seit Karl
Theodor in den Zeiten seines Reichsvikariats so viele arme Ritter gegraft
hatte. Als Ausländerin bedurfte Lola aber zugleich der Verleihung des
Indigenats, und für diese unbedeutende Förmlichkeit, die gemeinhin ganz
glatt ablief, verlangte das Gesetz zunächst die Befragung des Staatsrats,
sodann die Unterschrift eines Ministers. Der Staatsrat wagte abzu-
*) Bernstorffs Berichte, 14. Dez. 1846, 2. Febr. 1847.